Einleitung und aktuelle Gemengelage
Immobilieninvestments galten über eine Dekade als stabiler Cashflow-Lieferant und zentraler Bestandteil institutioneller Portfolios, getragen von Wertsteigerungen, die durch eine expansive Geldpolitik und eine stabile Konjunktur begünstigt wurden. Dennoch gab es stets Warnungen vor Preisexzessen, da Preis und Wert nicht immer übereinstimmen: „Price is what you pay, value is what you get.“ Mit der Zinswende hat sich das Umfeld für Immobilieninvestitionen grundlegend verändert. Steigende Finanzierungskosten, konjunkturelle Unsicherheiten und globale Risiken belasten den Markt. Die Auswirkungen sind je nach Immobilien-Assetklasse unterschiedlich, und Investoren müssen ihre Strategien an die neue Zinslandschaft anpassen.
Der theoretische Verständnisrahmen
Zum Verständnis des Einflusses thematischen Investierens auf Preise und Werte ist die Rendite-Risiko-Analyse im Kontext der Portfolio- und Kapitalmarkttheorie zentral. Nach Markowitz wird Portfolios ein Rendite-Risiko-Profil zugewiesen, wobei risikoaverse Anleger höhere Renditen zugunsten geringerer Risiken meiden. Das CAPM erweitert dies um die Annahme effizienter Märkte, während Fama und French sowie Carhart zusätzliche Faktoren wie Marktkapitalisierung, Bewertungskennzahlen und Momentum einführen. Für Immobilien sind spezifische Prämien wie Illiquidität, mangelnde Transparenz und Downside-Risiken entscheidend. Während das deutsche Ertragswertverfahren Preise auf Basis vergangener Transaktionen schätzt, berücksichtigt das internationale DCF-Verfahren unsichere Cashflows durch einen risikoadjustierten Diskontierungszins. Alle immobilienbezogenen Risikoprämien sollten in die Wertermittlung einfließen.
Immobilienpreise & Immobilienbewertungen – im Spannungsfeld von Zins- und Mieterhöhungen
Das DCF-Verfahren als Schlüssel zur modernen Immobilienbewertung
Ein erfolgreiches Immobilieninvestment basiert auf zwei Kernparametern: Cashflows (CF) und Kapitalkosten (k). Langfristig stabile Cashflows sichern Profitabilität, während Kapitalkosten – repräsentiert durch den Diskontierungszins – die Risikobewertung spiegeln. Anpassungsfähigkeit an strukturelle Marktveränderungen ist essenziell, da zyklische Marktschwankungen und langfristige Entwicklungen Immobilienwerte erheblich beeinflussen können. Die anhaltende Niedrigzinsphase und QE-Programme haben den Wohnsektor begünstigt, der durch hohe Nachfrage, Multi-Tenant-Strukturen und geringe Leerstandsrisiken besonders attraktiv für institutionelle Investoren wurde. Der Anteil des Wohnsegments am Transaktionsvolumen stieg von 16% (2007) auf 25% (2020). Gleichzeitig verlor der Einzelhandel an Bedeutung, während sich Logistik mit über 15% Marktanteil etablierte. Seit 2022 führte die Zinswende jedoch zu einem drastischen Rückgang der Transaktionsvolumina und einem Anstieg der Kapitalkosten. Höhere Zinsen resultieren in stärkeren Diskontierungen der künftigen Cashflows und damit in niedrigeren Immobilienwerten. Käufer und Verkäufer finden zunehmend schwer zueinander, da eine Preis-Wert-Identität schwieriger zu erreichen ist.
Konzepte zur quantitativen Bewertung von Immobilien-Assetklassen
Die Theorien von Markowitz und Fama, basierend auf der Annahme vollkommener Märkte, werden zur quantitativen Postulierung der Risikoprämien herangezogen. Da in der Praxis unvollkommene Märkte dominieren, entspricht der Marktpreis nicht immer dem Wert. Exemplarisch wird die Immobilien-Assetklasse „Wohnen Berlin“ untersucht, da sie wachsende Relevanz besitzt und fundierte Annahmen zu Cashflows (CF) und Kapitalkosten (k) erlaubt. Während CF langfristig gut planbar sind, bleibt die Bestimmung des exakten Diskontierungszinssatzes eine nahezu unlösbare Aufgabe. Repräsentative Umfrageergebnisse institutioneller Investoren bieten jedoch eine praktikable Grundlage.
Der risikolose Zinssatz
Die Grundlage bildet der risikolose Zinssatz gemäß CAPM, üblicherweise abgeleitet aus der Verzinsung 10-jähriger Staatsanleihen. Seine Entwicklung wird durch geldpolitische Maßnahmen beeinflusst und reflektiert Inflationserwartungen sowie den Zeitwert des Geldes. In Deutschland liegt die Umlaufrendite aktuell bei 2,2%. Nach den Zinsanstiegen der letzten Jahre scheint sich ein Plateau zu etablieren. Für die Analyse wird ein Niveau von 200 Basispunkten angenommen, um der strukturellen Zinswende, dem demografischen Wandel und langfristigen Investitionszielen institutioneller Investoren Rechnung zu tragen.
Die Volatilität
Die Marktrisikoprämie im CAPM-Modell wird anhand der Volatilität der Cashflows (CF) ermittelt, mit einem typischen Korridor von 50 bis 300 Basispunkten und einem Median von etwa 100 Basispunkten. Die CF-Volatilitäten variieren nach Assetklassen und Städtetypen: A-Städte und gewerbliche Immobilien zeigen höhere Werte, insbesondere „Büro“ und „Einzelhandel“, die aufgrund struktureller Herausforderungen einen Risikopuffer erfordern. Für „Wohnen Berlin“ wird eine kalkulatorische Prämie von 140 Basispunkten angesetzt.
Weitere immobilienspezifische Risikoprämien
Gemäß den Ansätzen von Fama, French und Carhart sollten immobilienspezifische Risiken wie das Liquiditätsrisiko (fehlende Käufer auf illiquiden Märkten) und das Transparenzrisiko (unzureichende Daten für Wert- und Preisermittlung) quantifiziert werden. Beide Risiken nehmen auf kleineren Märkten stärker zu. Für „Wohnen Berlin“ sind jeweils 30 Basispunkte als Risikoprämien festzulegen.
Schätzung des Downside-Risikos
Institutionelle Investoren könnten einer Vermögensillusion unterliegen, da der Anstieg realer Assets nicht mit einer erhöhten Kaufkraft oder besseren Konsummöglichkeiten einhergeht. Diese Illusion führt zur Unterschätzung von Risiken, insbesondere für Downside-Szenarien. Die Risikoprämie soll Verkehrswerterhöhungen und potenzielle Rückschläge abbilden, wie sie jüngst durch die Zinswende sichtbar wurden. Für „Wohnen Berlin“ sank die Prämie von 140 Basispunkten im Jahr 2020 auf aktuell nur 10 Basispunkte.
Quantifizierung von Preisen und Werten
Der Diskontierungszinssatz für „Wohnen Berlin“ 2024 beträgt 410 Basispunkte, basierend auf risikofreiem Zinssatz und Risikoprämien. Mit einem langfristigen Cashflow von 13,4 EUR/qm ergibt sich ein Wertansatz von 3.780 EUR/qm. Die Preis-Wert-Relation (PW) liegt knapp über eins, was auf eine faire Bewertung zum Jahresende 2024 hinweist. Zwischen 2010 und 2017 deutete eine PW unter eins auf eine Unterbewertung hin, was Investitionen attraktiv machte. Ab 2018 zeigte sich jedoch eine Überbewertung, die sich bis zur Zinswende verstärkte. Die Werte korrigierten, und 2024 wird ein fairer Marktstatus wieder erreicht. Megatrends könnten künftig eine reale Cashflow-Wachstumsrate rechtfertigen, was im Gordon-Growth-Modell abgebildet werden kann. Bei stabilen Basiszinsen und moderat hoher Inflation wird der Preispeak von 2022 (4.850 EUR/qm) voraussichtlich erst Ende des Jahrzehnts wieder erreicht. Entscheidend ist das Ausbleiben schwerwiegender Marktstörungen. Institutionelle Investoren sollten Szenariotechniken nutzen, um zukünftige Entwicklungen besser abzuschätzen.
Zusammenfassung und Ableitung strategischer Prämissen
Die Zinswende hat die Dynamik der Immobilienmärkte grundlegend verändert. Steigende Finanzierungskosten, erhöhte Kapitalkosten und eine stärkere Diskontierung künftiger Cashflows führen zu niedrigeren Immobilienwerten und erschweren die Preis-Wert-Identität. Dies erfordert von Investoren eine präzise Bewertung der Risiken und Chancen in einem zunehmend anspruchsvollen Marktumfeld.
Institutionelle Investoren sollten bei der Wertermittlung systematisch vorgehen, indem sie risikofreie Zinssätze, Marktvolatilitäten und immobilienspezifische Risikoprämien, wie Liquiditäts- und Transparenzrisiken, berücksichtigen. Die Anwendung des DCF-Verfahrens bietet hierfür eine fundierte Grundlage, um die Cashflow-Stabilität und Kapitalkosten angemessen abzubilden. Gleichzeitig verdeutlicht die Betrachtung des Downside-Risikos, dass Marktanpassungen durch unerwartete Zins- und Preisentwicklungen regelmäßig in die Strategie integriert werden müssen.
Die Preis-Wert-Relationen im Segment „Wohnen Berlin“ zeigen exemplarisch, wie sich faire Bewertungen durch die Zinswende wieder einstellen. Strategische Prämissen sollten dabei auf die Nutzung detaillierter Szenarioanalysen abzielen, um Risiken abzufedern und potenzielle Wertsteigerungen frühzeitig zu identifizieren. Investoren, die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bewahren, sind besser aufgestellt, um von Marktchancen zu profitieren und langfristige Investitionsziele zu erreichen.