Wie werden sich die Produktions- und Abnehmermärkte entwickeln, und welchen Einfluss wird dies auf den zukünftigen Preis von „Grünem Wasserstoff“ haben?
Die Entwicklung der Produktions- und Abnehmermärkte für grünen Wasserstoff wird sowohl durch den Regulierungsdruck als auch durch die Dynamik auf der Angebotsseite stark beeinflusst und wirkt sich letztlich auf die künftige Preisentwicklung aus.
- Bestehende Nachfrage für verschiedene Anwendungsbereiche (z. B. Wasserstoff in der Chemie- und Raffinerieindustrie, Ammoniak in der Düngemittelproduktion, Methanol in der chemischen Industrie)
- Zusätzliche Nachfrage, die sich aus der Dekarbonisierung anderer „Hard-to-Abate“-Sektoren ergibt. Darunter fallen beispielsweise die Stahlproduktion (wasserstoffbasierte Direktinduktion anstelle von Hochöfen), die Schiffsindustrie (z.B. Ersatz von Schweröl durch grünes Methanol) oder die Luftfahrt (Sustainable Aviation Fuel).
Damit diese Nachfrage auf CO2-freie Lösungen umgelenkt werden kann, muss die Einpreisung der entsprechenden CO2-Emissionen im Rahmen der Regulierung erfolgen. Deren Umsetzung wurde insbesondere von der Europäischen Kommission erheblich beschleunigt.


a) Regulatorische Rahmenbedingungen bestimmen die Nachfrage
Das regulatorische Umfeld für die Dekarbonisierung wurde in den letzten Jahren durch die Einführung bzw. Neugestaltung und durch die Umsetzung der RED I, II und III, FuelEU Maritime, ReFuelEU sowie des Europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS) verschärft.
Zum Beispiel ist die ReFuelEU Aviation Regulierung (2023) eine zentrale Verordnung, die darauf abzielt, den Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen im europäischen Luftverkehr zu erhöhen. Die Richtlinie schreibt nicht nur Sustainable Aviation Fuel (SAF)-Quoten vor, sondern führt auch Teilquoten für strombasiertes, synthetisches eSAF ein und fördert das Wachstum von grünem Wasserstoff als Rohstoff.
Dieser Druck von der Gesetzgebung hat in Verbindung mit internationalen und nationalen Initiativen wie der Europäischen Wasserstoffbank und dem „Fit für 55“-Paket (sowie mehreren nationalen Förderprogrammen) eine regulatorisch-gestützte Marktgrundlage für grünen Wasserstoff und verwandte Kraftstoffe geschaffen. Diese verpflichten Fluggesellschaften, die Schiffsindustrie und industrielle Unternehmen zur Einhaltung der Vorschriften und führt bei Verstoß zu Geldstrafen. Verstöße gegen eSAF-Quoten lassen sich auch nicht durch Geldstrafen beheben, sodass der Druck zur Nutzung von eSAF unabhängig von etwaigen Geldstrafen unverändert Bestand hat.


Während die Regulatorik verbal primär die Dekarbonisierungsbemühungen in den Vordergrund rücken, ist zu beachten, dass grüner Wasserstoff und Wasserstoffderivate zudem den Vorteil bieten, die Abhängigkeit der Europäischen Union von erdöl- und erdgasfördernden Ländern zu reduzieren, indem eigene Kraftstoffproduktionskapazitäten aufgebaut werden. Dieser Aspekt ist vor dem Hintergrund der derzeit existierenden geostrategischen Konflikte zunehmend relevant.
b) Dynamiken auf der Angebotsseite
Auf der Angebotsseite hängen die Aussichten auf kurz- bis mittelfristig deutlich sinkende Produktionskosten für grünen Wasserstoff weitgehend von den Lernkurven ab, die derzeit nicht steil genug sind. Während Regionen wie die nordischen Länder von günstigen Energieerzeugungsbedingungen profitieren, einschließlich der niedrigsten Stromgestehungskosten in Europa, sind die Hauptantriebskräfte für künftige Kostensenkungen, sprich die Steigerung der Energieeffizienz oder die Senkung der Investitionskosten, mit erheblichen Herausforderungen verbunden.
CAPEX machen nur 20-30 % der gesamten Produktionskosten aus, sodass ihre Reduzierung insgesamt nur begrenzte Auswirkungen hätte. Auf der anderen Seite erfordern erhebliche Effizienzsteigerungen die Weiterentwicklung neuer oder überarbeiteter Technologien. Diese sind mit erheblichen (technologischen) Risiken, langen Entwicklungszeiten und Pilotphasen verbunden. Solange nicht kurzfristig ausreichend Projekte realisiert werden, die zur Unterstützung dieser technologischen Weiterentwicklungen durchgeführt werden, ist es unwahrscheinlich, dass mittelfristig bedeutende Kostensenkungen durch technologische Durchbrüche/substantielle Effizienzsteigerungen oder CAPEX-Senkungen erreicht werden. Investitionen in neue Technologien sind darüber hinaus für Eigenkapital- und Fremdkapitalinvestoren sehr herausfordernd.
First-Mover-Vorteil
Das derzeitig unzureichende Angebot an Produktionsanlagen, um die regulatorischen Nachfragevorgaben zu erfüllen, verschafft den Vorreitern einen Vorteil. Während die Nachfrage nach Wasserstoff in einigen Sektoren Prognosen zufolge in die Höhe schießt, hinken die tatsächlichen Produktionskapazitäten hinterher. Dadurch entsteht ein Szenario, in dem frühe Marktteilnehmer kurz- bis mittelfristig Marktanteile erobern und von Spitzenpreisen profitieren können. Die Fähigkeit, grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen zu liefern, wird je nach Region und Produktionsverfahren sehr unterschiedlich sein. Projekte in Regionen mit kostengünstiger Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien werden sowohl von den niedrigeren Produktionskosten als auch von den geographischen Preisunterschieden profitieren. Entscheidend für den Hochlauf der Wasserstoffindustrie wird jedoch das Beibehalten bzw. ggfs. sogar Verschärfen der regulatorischen Rahmenbedingungen (z.B. kein „Freikaufen“, klare Überprüfung der Einhaltung von EU-Kriterien im Produktionsprozess) und/oder entsprechende Incentivierungen für Abnehmer trotz einer aktuell angespannten Wirtschaftslage in Europa sein.