Laut der jüngsten Umfrage des Bundesverbandes Alternative Investments e.V. (BAI) planen ca. 57% der 110 befragten institutionellen Anleger, das aktuelle Exposure im Bereich Infrastruktur Equity auszubauen.
Neben den seit Jahren etablierten Sektoren – wie Windenergie oder Photovoltaik – rücken auch Anlagen zur Herstellung, Speicherung und Verteilung für aus Erneuerbaren Energien hergestelltem Wasserstoff (H2) bzw. daraus gewonnener Derivate (z.B. Ammoniak (NH3)) hierbei in den Anlagefokus. Ohne Zweifel kann die Verwendung dieses aus der Elektrolyse gewonnenen Energieträgers z.B. in industriellen Produktionsprozessen, aber auch im Transportsektor dazu beitragen, den CO₂ -Ausstoß aus fossilen Quellen zu reduzieren.
Große Leuchtturmprojekte, wie z.B. der von thyssenkrupp Steel Europe AG in Duisburg geplante Bau einer Direktreduktionsanlage zur Herstellung Stahl mit grünem Strom und Wasserstoff oder die Ambitionen der RWE AG, einen 100 MW-Elektrolyseur im niederländischen Eemshaven zu bauen, bringen Dynamik in die Diskussion rund um die Energiewende.
Infrastrukturfonds auf der Suche nach geeigneten Investitionen
Einige Infrastrukturfondsprodukte fokussieren diesen Sektor – dies in unterschiedlicher Intensität. Wenige davon sind spezialisierte Themenfonds, die ausschließlich Kapital in derartige Anlagen allokieren. Die übrigen planen Wasserstoffinvestments als Beimischung für ein Portfolio, welches der Überschrift „Energy Transition“ zuzuordnen ist.
Aus der Anlegerperspektive stellen sich im Zusammenhang der Investitionsprüfung u.a. folgende Fragen:
- Wie entwickeln sich Produktions- und Abnehmermärkte, was einen wichtigen Einfluss auf den künftigen Preis für „Grünen Wasserstoff“ haben wird?
- Wie planbar ist die (teilweise initial mit öffentlichen Subventionen unterstützte) Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen in Bezug auf Wertentwicklung und laufenden Ertrag?
- Wie abschätzbar ist die technologische Innovationsgeschwindigkeit, z.B. von Elektrolyseuren, was insbesondere für den Exit einer Anlage von Bedeutung ist
Künftige Nachfrage als wichtiges preisbeeinflussendes Merkmal
Insbesondere bei der künftigen Entwicklung der Nachfrage nach Wasserstoff gibt es unterschiedliche Prognosen. Das Institute of Energy Economics at the University of Cologne gGmbH (EWI) hat in einer Studie verschiedene Prognosen, unter anderem die des Nationalen Wasserstoffrates und des Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung nach Sektoren ausgewertet und verglichen.
Demnach reichen die Schätzungen des Verbrauchs über alle Sektoren von 20 bis 84 TWh/a im Jahr 2030 und von 227 bis 842 TWh/a im Jahr 2045.
Aus Anlegersicht besonders interessant sind die unterschiedlichen Annahmen innerhalb der einzelnen Sektoren, wie z.B. in den Prozesssektoren der Eisen- und Stahlherstellung. Hier weichen die Schätzungen im Jahre 2045 signifikant ab (38 bis 75 TWh/a), ebenso bei der Elektrizitätserzeugung aus Wasserstoff (137 bis 200 MWh/a).
Ein Ausblick auf den straßengebundenen Güterverkehr (Lkw > 3,5 t) ist doppelt interessant. Zum einen müssen Lkw-Hersteller geeignete Fahrzeuge marktreif entwickeln sowie in der Produktion wirtschaftlich skalieren und zum anderen muss ein (investitionsintensives) Netz aus Tankstellen vorhalten werden. Laut Hydrogen Mobility Europe (H2ME) existieren derzeit in Deutschland ca. 86 Wasserstofftankstellen, in Europa ca. 163 und weitere 63 sollen in der Zukunft eröffnet werden.
Die künftigen Nachfrageprognosen im Transportsektor für 2030 bzw. 2045 liegen auch hier weit auseinander (0 bis 18 TWh/a bzw. 0 bis 123 TWh/a). Aus der Sicht von Kapitalgebern verbindet sich damit eine gewisse Unsicherheit, ob die Nutzung der Technologie durchsetzt bzw. lohnt.
Wirtschaftliche Skalierung im Hochlauf notwendig
Um mehr Investitionssicherheit zu erlangen, müssen die aus Klimaschutzaspekten sehr sinnvollen Pilotprojekte den Markthochlauf bestehen, d.h. die nächsten Skalierungsstufen zur kommerziellen Nutzung müssen erreicht werden.
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist auch, dass Wasserstoff vom Erzeuger zum Verbraucher transportiert werden kann. Ein bedeutender Meilenstein könnte das auf Antrag der Fernleitungsnetzbetreiber durch die Bundesnetzagentur im Oktober 2024 genehmigte Wasserstoff-Kernnetz sein. Die vorgesehene Gesamtlänge des Netzes beträgt ca. 9.040 km und soll zu 56% aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen. Die Investitionskosten liegen bei ca. 18,9 Mrd. Euro und sollen privatwirtschaftlich finanziert werden. Das Wasserstoff-Kernnetz soll zentrale potenzielle Wasserstoff-Standorte anbinden, z.B. große Industriezentren, Kraftwerke, Speicher sowie Erzeugungsanlagen und Importkorridore.
Die aktuellen Planungen sehen vor, dass die Umsetzung der Netzausbaumaßnahmen bis 2032 abgeschlossen sind.
Alles in allem: Inwieweit sich im Rahmen des Wasserstoffhochlaufes in Deutschland und Europa sinnvolle Investitionsmöglichkeiten für Anleger ergeben, hängt von vielen Faktoren ab, die aus heutiger Sicht noch nicht mit hoher Sicherheit bewertet werden können.