Welche Steueränderungen kommen auf die Immobilienbranche zu? Dieser Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über die geplanten Änderungen und Handlungsmöglichkeiten zum Jahresende.
I. Jahressteuergesetz 2024
Trotz des Scheiterns der Ampel-Koalition hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 22. November 2024 dem Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) zugestimmt. Das Gesetz tritt grundsätzlich einen Tag nach seiner Verkündung am 2. Dezember 2024 in Kraft und enthält eine Vielzahl steuertechnischer Änderungen in verschiedenen Bereichen des deutschen Steuerrechts. Darin sind auch folgende Änderungen enthalten, die für die Immobilienbranche von großer Bedeutung sind.
1. Abschaffung des fiktiven zweiten Grundstücks im Grunderwerbsteuerrecht
- In den gleichlautenden Erlassen vom 16. Oktober 2023 hat die deutsche Finanzverwaltung festgelegt, dass ein Grundstück nicht nur der Gesellschaft zugerechnet werden kann, die es unmittelbar erworben hat, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch einem zweiten Rechtsträger, der die Anteile an der Immobiliengesellschaft unmittelbar oder mittelbar erworben hat. Dadurch kann bei Anteilsübertragungen auf verschiedenen Ebenen der Gesellschafterkette doppelt Grunderwerbsteuer ausgelöst werden. Diese Auffassung ist äußerst umstritten und möglicherweise verfassungswidrig.
- Durch die Einführung eines neuen Abs. 4a in § 1 GrEStG soll eine Anteilsvereinigung im Sinne von § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG nicht mehr zur Zugehörigkeit des Grundstücks zum Vermögen des Anteilserwerbers führen. Dadurch wird die Doppelzugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen zweier Gesellschaften ausgeschlossen.
- Die neue Zurechnungsregel gilt erstmals für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG, die nach dem 2. Dezember 2024 verwirklicht werden.
2. Buchwertübertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften
- Die Einführung einer neuen Nr. 4 in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ermöglicht die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert.
- Eine Beteiligungsidentität liegt laut Gesetzesbegründung nicht vor, wenn eine Person nur an einer der beiden Mitunternehmerschaften beteiligt ist. Schädlich soll auch eine Beteiligung als Treuhänder sein. Unschädlich sollen Null-Prozent-Beteiligungen z. B. einer Komplementär-GmbH sein.
- Die neue Regelung gilt für alle offenen Fälle und deckt somit vergangene, aktuelle und zukünftige Übertragungen ab. Allerdings sollen auf gemeinsamen Antrag der Mitunternehmer die neuen Regeln nicht für Übertragungen vor dem 12. Januar 2024 angewendet werden.
3. Ertragsteuerbefreiung für Einnahmen aus Photovoltaikanlagen
- Die Steuerbefreiung für Einkünfte aus dem Betrieb von kleinen, auf Gebäuden installierten Photovoltaikanlagen wird für Photovoltaikanlagen, die nach dem 31. Dezember 2024 angeschafft, in Betrieb genommen oder erweitert werden, bis zu 30 kW (peak) pro Wohn- oder Gewerbeeinheit gelten (bisher 15 kW). Der Gesamtbetrag bleibt jedoch weiterhin bei maximal 100 kW (peak) je Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft.
- Mit der Neufassung soll nach der Begründung zum Regierungsentwurf auch klargestellt werden, dass die Maximalwerte die Wirkung einer Freigrenze und nicht eines Freibetrags haben.
4. Gewerbesteuerpflicht passiver Betriebsstätteneinkünfte
- Einkünfte, die in einer ausländischen Betriebsstätte anfallen und nach den Regeln der Hinzurechnungsbesteuerung steuerpflichtig wären, falls diese Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft im Sinne dieser Vorschriften wäre, gelten als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt.
- Die Neuregelung zur Gewerbesteuerpflicht passiver Betriebsstätteneinkünfte soll auch für Erhebungszeiträume vor 2024 Anwendung finden
5. Einführung der Wohngemeinnützigkeit
- Körperschaften, die sich zu dauerhaft günstigen Mieten verpflichten, werden ab 1. Januar 2025 wieder als gemeinnützig anerkannt.
- Um als gemeinnützig anerkannt zu werden, müssen die Mieten dauerhaft unterhalb der marktüblichen Miete bleiben und die Wohnungen an Personen vergeben werden, deren Einkommen nicht mehr als das Fünffache – beziehungsweise bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden das Sechsfache – der Grundsicherung beträgt. Darunter fallen rund 60 % aller Haushalte in Deutschland.
- Die Hilfebedürftigkeit muss zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses vorliegen.
- Ob die Miete unter der marktüblichen Miete liegt, muss zu Beginn des Mietverhältnisses und bei Mieterhöhungen geprüft werden.
6. Zuschlag für die Nichtvorlage oder die Vorlage im Wesentlichen unverwertbarer Aufzeichnungen
- Legen Steuerpflichtige die Verrechnungspreisdokumentation verspätet oder nicht vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist jeweils ein Zuschlag festzusetzen. Wird nach Abschluss der Außenprüfung ein Zuschlag für die Nichtvorlage oder die Vorlage im Wesentlichen unverwertbarer Aufzeichnungen festgesetzt, sind vorher festgesetzte Zuschläge wegen verspäteter Vorlage nach dem 31. Dezember 2024 anzurechnen.
- Diese Änderung ist insbesondere für die strengeren Dokumentationsanforderungen relevant, die für ab dem 1. Januar 2025 angekündigte Betriebsprüfungen gelten. In solchen Fällen muss die Verrechnungspreisdokumentation innerhalb von 30 Tagen nach der Ankündigung einer Betriebsprüfung vorgelegt werden, ohne dass sie ausdrücklich angefordert werden muss.
II. Weitere Gesetzesvorhaben
Neben dem JStG 2024 gibt es aktuell ungefähr 20 weitere steuerliche Gesetzes- oder Verordnungsentwürfe, die aber alle noch nicht vom Bundestag verabschiedet sind. Nach dem „Ampel-Aus“ ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Gesetzesvorhaben nicht mehr umgesetzt werden.
Die Fraktionen der ehemaligen Ampel haben sich allerdings am 13. Dezember 2024 überraschend auf die Umsetzung von ausgewählten Maßnahmen aus dem Gesetz zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs (Steuerfortentwicklungsgesetz) noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 verständigt. Dem Vernehmen nach soll das reduzierte Steuerfortentwicklungsgesetz im Wesentlichen nur die Anhebung des Grundfreibetrags, des steuerlichen Kinderfreibetrags und des Kindergeldes ab 2025 beinhalten. Hoch umstrittene Maßnahmen wie die Einführung einer nationalen Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen sind nicht Bestandteil dieser Einigung.
Weitere steuerliche Gesetzesvorhaben sind bis 23. Februar 2025 nicht mehr zu erwarten. Auch danach wird es mehrere Monate dauern bis eine Regierung gebildet und neue Gesetzesvorhaben initiiert oder alte Gesetzesvorhaben reaktiviert werden. Besonders relevant für die Immobilienbranche ist die Frage, ob die neue Regierung den Vorschlag der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ aufgreifen wird, die einfache und erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen abzuschaffen.
III. Zukünftige Gerichtsentscheidungen
Wesentliche steuerliche Neuerungen können nicht nur durch gesetzliche Änderungen, sondern auch durch Gerichtsentscheidungen ausgelöst werden. Hervorzuheben sind hier die folgenden zwei Verfahren, die ein steuerliches Erdbeben auslösen könnten.
1. Verfassungswidrikgeit der Zinsschranke
- Die Zinsschranke begrenzt den steuerlichen Abzug von Zinsausgaben, auch wenn diese tatsächlich angefallen und an fremde Dritten wie zum Beispiel Banken gezahlt werden. Durch diese Begrenzung müssen Steuerpflichtige Steuern auf Gewinne zahlen, die sie tatsächlich nicht erzielen. Bereits seit Einführung der Zinsschranke wird deshalb diskutiert, ob die Regelung verfassungsrechtlich zulässig ist.
- Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 14. Oktober 2015, I R 20/15, BStBl. II 2017, S. 1240, ein anhängiges Verfahren, in dem diese Frage entscheidungserheblich ist, ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt (Az. 2 BvL 1/16), ob die Zinsschranke gegen Art. 3 GG verstößt, da der BFH von der Verfassungswidrigkeit der Regelung überzeugt ist.
2. EU-Widrigkeit der Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen
- Die EU-Richtlinie 2008/7/EG (Kapitalverkehrsteuerrichtlinie) verbietet jede Art von indirekten Steuern oder Abgaben auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge wie zum Beispiel Verschmelzungen, Spaltungen oder Kapitalzuführungen. Die Richtlinie ist in Deutschland unmittelbar geltendes Recht und muss von der Verwaltung und den nationalen Gerichten beachtet werden.
- In dem vor dem BFH seit 2023 unter II R 8/23 anhängigen Verfahren beruft sich die Klägerin auf diese Richtlinie und fordert eine umfassende – weit über die Konzernklausel nach § 6a GrEStG hinausgehende − Befreiung von Umstrukturierungen von der Grunderwerbsteuer.
IV. Steuerlicher Handlungsbedarf zum Jahreswechsel
Unabhängig von Gesetzes- und Rechtsprechungsänderungen gibt es für Steuerpflichtige zum Jahreswechsel erheblichen steuerlichen Handlungsbedarf. Beispiele hierür sind:
- Optimierung der Zinsschranke: Prüfung, ob die Eigenkapitalquote eingehalten wird und falls nicht, ob dies durch eine Erhöhung des Eigenkapitals vor Jahresende noch erreicht werden kann.
- Erhöhung des Verlustabzugs für Kommanditisten: Gegebenenfalls Eigenkapitalerhöhung vor Jahresende, um Verluste nutzen zu können, die das derzeitige Eigenkapital übersteigen.
- Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung: Die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung müssen während des gesamten Jahres erfüllt sein. Es sollte daher bei geplanter Inanspruchnahme geprüft werden, ob die Voraussetzungen ab dem 1. Januar 2025 erfüllt werden oder ob noch Maßnahmen bis zum Jahresende erforderlich sind.
- Steuervorauszahlungen: Sofern die Gewinne sinken, kann ein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen gestellt werden.
- Bildung steuerfreier Rücklagen: Bei Veräußerungsgewinnen kann geprüft werden, ob stille Reserven auf andere Wirtschaftsgüter übertragbar sind, bzw. steuerfreie Rücklagen gemäß § 6b EStG gebildet werden können.
- Country-by-Country Reporting: Frist zur Abgabe der Reports gemäß § 138a AO läuft am 31. Dezember 2024 ab (wenn Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr).
Wer mehr dazu nachlesen möchte, findet in den „Key Tax Issues at Year End for Real Estate Investors“ einen Überblick über wesentliche steuerliche Handlungsmöglichkeiten und Fristen zum Jahreswechsel in Deutschland und in 35 anderen Staaten weltweit. Die Ausgabe 2024/2025 finden Sie unter www.pwc.com/KTI.