Einige europäische Metropolen positionieren sich im globalen Wettbewerb um Kapital, Know-how und Fachkräfte erfolgreicher als andere. Sie profitieren von nachhaltigem Wachstum und zeigen sich in Zeiten wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Transformation besonders anpassungsfähig. Was steht auf der Zukunftsagenda von Städten und Regionen, die erfolgreich Investitionen anziehen, Humankapital gewinnen und eine hohe Lebensqualität bieten?
Knowledge makes the world go round
Eine große Herausforderung, die alle Städte und Regionen gleichermaßen trifft, ist der Übergang zur Wissensgesellschaft. Wissen ist die Schlüsselressource des 21. Jahrhunderts und der entscheidende Treiber für wirtschaftlichen Erfolg. Exemplarisch für den Übergang zur Wissensökonomie stehen die US-Tech-Riesen, die ihre Erfolge und Innovationen auf umfassendes Wissen und die Anwendung von Informationen stützen. Apple, Alphabet, Microsoft, Meta etc. haben die Old Economy verdrängt und führen heute das Ranking der wertvollsten Unternehmen weltweit an (Abb. 01).
Der Übergang zur Wissensökonomie bezieht sich nicht nur auf veränderte Wirtschaftsstrukturen und Marktanteile, sondern bestimmt auch wesentlich die Entwicklungsaussichten und Wettbewerbsfähigkeiten von Regionen und damit schließlich auch von Immobilienmärkten. Damit der Übergang zur Wissensökonomie gelingen und damit für langfristigen Erfolg und Wohlstand einer Stadt bzw. Region sorgen kann, bedarf es zielgerichteter Zukunftsstrategien, die Anreize für Unternehmen der Wissensgesellschaft schaffen.
Neuere wissenschaftliche Erklärungsmodelle heben die Bedeutung von Wissen und Kreativität für die Erschließung urbaner und regionaler Entwicklungspotenziale hervor. Zu den Schlüsselwerken urbaner Wachstumstheorien zählt der vom US-Ökonomen Richard Florida entwickelte Theorieansatz zur Kreativen Klasse. Sein Buch über den Aufstieg der kreativen Schicht wurde zum Weltbestseller.
Kernthese: Unternehmen treffen ihre Standortentscheidung nicht mehr nur anhand traditioneller Standortfaktoren (wie finanzielle Anreize oder vorhandene Infrastruktur), sondern wählen vor allem Standorte, die ein hohes Potenzial an hochqualifizierten Arbeitskräften bereithalten. Um ihren Wohlstand zu steigern, sollte eine Stadt daher versuchen, die richtigen Bewohner anzuziehen. Nämlich all jene Wissensarbeiter, die mit ihrer Kreativität Innovationen schaffen, die wiederum Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum sind.
Das Konzept der Kreativen Klasse von Richard Florida
Seine Annahmen bündelt Richard Florida zu einer wirtschaftlichen Wachstumstheorie: „Technologie, Talente und Toleranz“. Diese drei „T“ stecken das Feld ab, auf dem Regionen und Städte um eine erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft wetteifern. Technologie meint insbesondere Innovationen und Zukunftstechnologien. Das zweite T, Talente, bezieht sich auf das vorhandene Humankapital und Toleranz auf die Vielfalt und Offenheit einer Stadt bzw. Region.
Entscheidend für die These Floridas ist, dass nur Regionen, in denen die drei T in einem günstigen Verhältnis zusammenfallen, mit wirtschaftlichem Wachstum rechnen können. Jedes der drei T ist dabei bedeutsam, doch keines ist für sich genommen ausreichend. Es ist das Zusammenspiel der drei T, das über die Zukunftschancen von Regionen entscheidet (Abb. 02).
Eine tolerante Atmosphäre macht z.B. eine Stadt für hochqualifizierte Talente attraktiv. Wo viele kreative Talente leben, siedeln sich wiederum Unternehmen aus Zukunftstechnologien oder wissensbasierten Dienstleistungen an, die mit ihren Jobs weitere Talente anziehen und damit die Stadt noch attraktiver und vielfältiger machen. So kann sich eine dauerhafte Aufwärtsspirale entwickeln.
„Territory assets“, die lokale und sozialräumliche Standortqualitäten umfassen, sind nach Florida mitentscheidend für die Ausprägung der drei T. Dazu zählt einerseits die gebaute Umwelt. Für die Ansiedlung von Technologie und Talenten braucht man die entsprechenden Wohn-, Industrie- und Bürogebäude. Andererseits ist aber auch das sogenannte „Placemaking” von besonderer Bedeutung, also das Vorhandensein von identitätsstiftenden Orten des Zusammentreffens und des Erlebens.
„Geography of Creativity“ Ranking
Welche Metropolen erfüllen nun die Anforderungen nach dem Konzept der drei T von Richard Florida und gehören damit zu den Regionen mit den besten Entwicklungsaussichten? Dazu hat Florida ein Ranking implementiert, das anhand verschiedener Einzelindikatoren die drei T empirisch messbar und vergleichbar macht. Die aktuellen Ergebnisse zeigen aus europäischer bzw. deutscher Perspektive zwei spannende Trends: Zwar setzen nach wie vor Superstädte wie London und New York Maßstäbe in diesem Wettbewerb und führen das Ranking an. Aber ihr Vorteil schwindet. Beide Städte rangieren niedrig in ihrer Fähigkeit, sich an die Geschwindigkeit des Wandels anzupassen. Dagegen hat vor allem in kleineren europäischen Städten wie Kopenhagen, Wien, Amsterdam, Warschau, Stockholm und München eine optimale Kombination der drei T in den letzten Jahren zum Erfolg geführt und eine starke Wachstumsdynamik entfaltet (Florida et al 2023). Diese Städte besetzen mittlerweile auch im globalen Ranking die vorderen Plätze und sind in Europa führend (Tab. 01). Bemerkenswert ist, dass fünf deutsche Städte – München, Hamburg, Düsseldorf, Berlin und Frankfurt – in die Top 15 in Europa aufgenommen wurden.
Rang global | Europäische Top 15 |
1 | London |
5 | Kopenhagen |
7 | Wien |
8 | Amsterdam |
9 | Warschau |
12 | Stockholm |
13 | Madrid |
14 | München |
15 | Zürich |
16 | Oslo |
19 | Hamburg |
25 | Düsseldorf |
30 | Berlin |
31 | Dublin |
32 | Frankfurt |
Was steht nun konkret hinter den drei T und warum sind diese so wichtig für urbanes Wachstum und Zukunftsfähigkeit? Was machen diese 15 Metropolen in Europa besser als andere und wie wirkt sich ihr Erfolg auf die Immobilienmärkte aus?
Das erfahren Sie im nächsten Beiträg dieser Serie:
Technologie – Das erste der drei „T“ prosperierender Städte