Die Master Regulation ist ein zentraler Baustein der Savings and Investments Union (SIU), der neuen Kapitalmarktstrategie der EU. Das Dokument ist extrem umfangreich, aber die Kernaussage ist klar: Europa soll endlich einen echten, einheitlichen Kapitalmarkt bekommen – und dafür wird das Aufsichts- und Marktinfrastrukturmodell radikal vereinheitlicht.
Europa wagt einen neuen Anlauf, seine Kapitalmärkte grundlegend zu modernisieren. Unter dem Dach der Savings and Investments Union (SIU) verfolgt die EU-Kommission seit 2025 einen Plan, der weniger auf große Symbole als vielmehr auf funktionale Verbesserungen setzt: weniger Zersplitterung, mehr Skalierung, mehr digitale Anschlussfähigkeit. Der jetzt vorgelegte Vorschlag für eine Master Regulation ist der zentrale Baustein dieses Projekts – ein Mammuttext, der 14 bestehende EU-Regelwerke gleichzeitig ändert.
Die SIU-Architektur ruht auf drei Pfeilern: Integration, Skaleneffekte und effiziente Aufsicht. Genau hier setzt die Master Regulation an:
- Regeln zusammenführen: weniger nationale Divergenzen, mehr direkte EU-Anwendung.
- Aufsicht zentralisieren: ESMA wird zur Schaltstelle für große Börsen, CCPs und CSDs.
- Technologie ermöglichen: Tokenisierung, DLT, E-Money Settlement werden anschlussfähig.
AIFMD und UCITS bleiben im Kern unangetastet, aber ihre bisherigen Marketingkapitel werden herausgelöst und vollständig in der CBDR (Cross-Border Distribution Regulation) verlagert. Der Entwurf importiert ausdrücklich Kapitel XI der UCITS-Richtlinie sowie die Artikel 30a, 31, 32 und 32a der AIFM-Richtlinie in die CBDR. Damit entkoppelt die EU erstmals Produktrecht und Vertriebsrecht – und macht den grenzüberschreitenden Fondsvertrieb unmittelbar europäisch.
Die zahlrechen inhaltlichen Reformpunkte lassen sich praktisch in drei Veränderungen zusammenfassen:
Erstens: Der grenzüberschreitende Fondsvertrieb wird europäischer – und einfacher.
Pre-Approvals der Host-Länder entfallen, Passporting wird in den Zulassungsantrag integriert, ESMA führt eine zentrale Datenplattform. Das reduziert Kosten, Komplexität und Time-to-Market. Die EU neutralisiert damit das über Jahrzehnte gewachsene nationale Goldplating im Fondsvertrieb.
Zweitens: Marktinfrastruktur und Aufsicht werden neu strukturiert.
ESMA erhält direkte Aufsicht über große CCPs, CSDs und Handelsplätze. Mit dem neuen „Pan-European Market Operator“ entsteht erstmals ein Modell, bei dem mehrere Börsen in verschiedenen Ländern unter einer einzigen Lizenz betrieben werden können.
Drittens: Die Kapitalmarktlogik wird digitalfähig.
Das DLT-Pilotregime wird breiter, flexibler und technologieneutral. Tokenisierte Instrumente und E-Money-Settlement werden anschlussfähig. Die CSDR wird modernisiert, um digitale Emissionen und tokenisierte Fondsanteile im regulären Markt zu ermöglichen.
Auch politisch ist der Schritt bemerkenswert: Die EU verabschiedet sich von 27 Varianten desselben Themas und schafft – endlich – ein kohärentes Kapitalmarkt-Betriebssystem.
Offizieller Fahrplan:
Die Master Regulation tritt 20 Tage nach Veröffentlichung in Kraft, die wichtigsten Neuerungen sollen nach 12 Monaten gelten, komplexere Integrationsbausteine nach 24 Monaten. Einige MiFIR-Komponenten greifen noch später erst nach einer 5-Jahres-Phase.
Europa zieht also das Betriebssystem seiner Kapitalmärkte neu auf. Nicht mit einem großen Knall, sondern mit einer tiefen strukturellen Operation, die den Binnenmarkt erstmals so funktionieren lassen könnte, wie er in der Theorie schon lange existiert.
📌 Fazit
- Die EU meint es diesmal ernst mit der Kapitalmarktunion.
- Die Master Regulation verschiebt Aufsicht und Marktinfrastruktur spürbar nach Europa.
- Harmonisierte Regeln, zentralisierte Aufsicht und digitale Infrastruktur können ein Wendepunkt werden.
- ESMA steigt zur Schlüsselinstitution im europäischen Kapitalmarkt auf.
- Grenzüberschreitende Marketing- und Vertriebshürden sinken drastisch.
- Tokenisierte Fondsanteile und digitale Emissionen werden anschlussfähig.
👉 Für die Mutigen entsteht ein Innovationsschub aus Skalierbarkeit und Geschwindigkeit.
👉 Für die Zögerlichen wächst der Anpassungsdruck.