Notenbanken und Regierungen haben von jeher ein schwieriges Verhältnis. Die Unabhängigkeit der Notenbank ist nicht ein automatisch akzeptiertes Gut, sondern zumeist der Effekt schlechter Erfahrungen aus Phasen hoher Inflation und von Perioden abhängiger Notenbanken. Die Welt, in der wir heute in den meisten westlich orientierten Ländern leben, wurde nicht zuletzt von den Erfahrungen der 70er Jahre genährt. Die amerikanische Notenbank, die Federal Reserve (FED), ist, obgleich erst 1907 nach der gleichgenannten Bankenkrise gegründet, zweifellos die wichtigste Notenbank der Nachkriegszeit und damit sind Entwicklungen, die die FED betreffen, nicht nur aus der US-Perspektive zu beurteilen, sondern auch richtungsweisend für Notenbanken in der ganzen Welt.
Was für die FED aktuell auf dem Spiel steht, kann man nicht ohne einen Rückblick in die 70er Jahre erklären. Der Vietnamkrieg hatte die Finanzen der USA stark belastet, mit Richard Nixon hatte 1969 der ehemalige Vizepräsident Eisenhowers und eine extrem starke und kontroverse Persönlichkeit seine Amtszeit als 37. Präsident der USA angetreten. Nixon wollte eine lockere Geldpolitik und ernannte Arthur Burns 1970 zum neuen FED-Chef. Arthur Burns hatte in der Zeit, als Nixon Vizepräsident von Eisenhower war, mehrere Jahre den „Council of Economic Advisors“ des Präsidenten geleitet und war nach Nixons Wahlsieg zunächst „Counselor to the President“.
MEAG ViEWEine Schwächung der Kredibilität der Notenbank ist keine gute Idee.
Arthur Burns betrieb eine expansive Geldpolitik – das, was man heute als sehr „dovishe“ Politik bezeichnen würde – auch schon vor der ersten Ölkrise und er gab immer wieder dem öffentlichen Druck des Präsidenten nach und war auch bereit, die für die Entscheidungen zugrunde liegenden Daten zu „gestalten“. So scheute er sich nicht, auf Korrekturen in der Zusammensetzung der Preisstatistiken zu drängen, um den Konsumentenpreisindex niedriger ausweisen zu können.
Nun ist es leider so, dass Regierungen im Falle hoher Zinsen aufgrund des steigenden Schuldendienstes versucht sind, über „Financial Repression“ – und ein Tool dafür sind niedrige oder negative Realzinsen – den Handlungsspielraum zu erweitern und das Risiko künftiger Inflation zugunsten momentaner Wachstumsimpulse einzugehen. Dagegen war die Anti-Inflationspolitik der Bundesbank durch die katastrophalen deutschen Erfahrungen in der Weimarer Republik akzeptiert. Diese Politik wurde in den 70er Jahren ein Meilenstein zu ihrem untadeligen Ruf als eine der Preisstabilität verpflichtete und von der Regierung unabhängige Notenbank. In den USA musste sich die FED diesen Ruf nach der Periode Arthur Burns erst wieder erarbeiten.
Es ist das vornehme Recht des US-Präsidenten, den Notenbank-Chef zu bestimmen, die notwendige Bestätigung durch den Senat traditionell Formsache. Jimmy Carter sah zum Ende seiner Amtszeit, dass eine Notenbank, die das Vertrauen der Märkte und der Menschen verliert, nicht nur schlecht ist für Inflationsentwicklung, sondern auch für Wirtschaftswachstum und die Kapitalmärkte. Es war Jimmy Carter, der Paul Volcker berufen hat (und Ronald Reagan hat ihm eine zweite Amtszeit gegeben). Volcker besiegte die Inflation und verankerte die Inflationserwartungen. Er und der von Reagan gegen Ende seiner Amtszeit berufene Alan Greenspan schufen die Basis für das heutige Standing der FED über einen Zeitraum von 25 Jahren. Der jetzige FED-Präsident Jerome „Jay“ Powell wurde von Donald Trump in seiner ersten Amtszeit für diesen Posten ausgewählt, zu diesem Zeitpunkt lag der Leitzins bei lediglich 1,50 Prozent.
Weil Jerome Powells Auswahl durch Donald Trump erfolgte und der Präsident den FED-Chef vorschlägt, sind die öffentlichen Angriffe des Präsidenten auf den FED-Chef, die Ankündigung, seine Amtszeit nicht zu verlängern, die massive Kritik an der FED etc. ein schwerwiegender Vorgang. Der vorzeitige Rücktritt von Board-Member Adriana Kugler zeigt, dass nicht alle diesem Druck gewachsen sind, die eskalierende Situation um Lisa Cook dürfte, unabhängig von dem endgültigen Urteil die Institution weiter beschädigen. Die Nominierung von Stephen Miran, dem derzeitigen Chef des Council of Economic Advisors im Weißen Haus weckt genauso wie die Entlassung der Commissioner des US Bureau of Labour Statistics, Erika McEntarfer, unschöne Erinnerungen an die Nixon-Ära.
Die ganze Situation ist vor allem auch deswegen paradox, weil der Markt (genauso wie wir bereits seit Jahresbeginn) Zinssenkungen der FED ab September erwartet, da das Wachstums- und Inflationsbild es nahe legen. Zinssenkungen nach einer Phase heftigen öffentlichen Drucks bergen aber immer die Gefahr, auch als Schwäche der Institution interpretiert zu werden. Insofern haben nach all den öffentlichen Anwürfen die kommenden FED-Zinssenkungen das Risiko, dass, obwohl sie inhaltlich nach den jüngsten Arbeitsmarktberichten gerechtfertigt und notwendig sind, sie auch Zweifel an der Institution säen könnten.
Vieles wird von dem neuen FED-Chef abhängen, den US-Präsident Trump noch in diesem Jahr bekannt geben dürfte, auch wenn die Amtszeit von Powell erst im Mai 2026 endet. Die jüngste Short-List der Kandidaten eventueller FED-Nachfolger mit Waller, Hesset und Warsh erscheint auf den ersten Blick in Abstufungen für die Märkte akzeptabel. Der neue FED-Chef und seine Positionierung wird ein zentraler Bestandteil des 2026er Outlooks sein. Denn die Reputation einer Institution wird über Jahrzehnte aufgebaut, sie kann aber über Monate zerstört werden. Eine Notenbank mit verringerter Reputation würde sowohl die Tür für mehr Inflation, steilere Zinsstrukturkurven wie auch mangelndes Vertrauen in erfolgreiches Krisenmanagement öffnen und damit eine deutliche Verschlechterung des Kapitalmarktumfeldes riskieren.