Mieten und Kaufpreise steigen moderat: Spreizung zwischen Neuvertrags- und Bestandsmieten nimmt weiter zu – Catella Research
Durchschnittsmiete in Europa liegt bei 20,43 €/m², ein Plus von 4,5 % zum Vorjahr. Dublin zeigt die höchsten Mieten mit durchschnittlich 45,00 €/m². Kaufpreise für Eigentumswohnungen mit leichtem Wachstum von 2,7 % zum Vorjahr auf 5.795 €/m². Spreizung von Neuvertrags- und Bestandsmieten verstärkt Lock-in-Effekt und führt zu Fehlallokationen und Überbelegung.
Im dritten Quartal 2025 zeigt sich auf dem europäischen Wohnungsmarkt eine zunehmend deutliche Spreizung zwischen Neuvertragsmieten und Bestandsmieten. Während die tatsächlich gezahlten Mieten in den vergangenen Jahren deutlich langsamer gestiegen sind als andere Verbraucherpreise, haben sich die Neuvertragsmieten überdurchschnittlich dynamisch entwickelt – zuletzt jedoch mit etwas geringerer Wachstumsrate. Kaufpreise steigen im Mittel ebenfalls weiter, während sich Renditen stabilisieren.
Die Europäische Kommission greift das Thema Wohnungsknappheit explizit als systemische Herausforderung auf: Laut EU-Kommission fehlen in der EU mehrere Millionen bezahlbare Wohneinheiten, insbesondere für junge und einkommensschwache Haushalte. Sie betont, dass Mietsteigerungen vor allem durch Neuverträge und das strukturell unzureichende Angebot entstehen – deutlich weniger durch Bestandsmieten.
„Die Wohnungsknappheit ist kein punktuelles Phänomen mehr, sondern eine strukturelle Marktstörung“, so Dr. Lars Vandrei, Head of Research bei Catella Investment Management GmbH (CIM). „Die Spreizung zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten zeigt, dass Kostendruck vor allem beim Wohnungswechsel entsteht – nicht bei der Bestandssituation. Die dadurch verzerrten Anreize der Haushalte führen zu Fehlallokationen, die nicht nur für die Haushalte selbst suboptimal sind, sondern darüber hinaus zu einem ineffizienten Marktergebnis und damit wirtschaftlichem Schaden führen.“
Marktdaten – Mietwachstum treibt Kaufpreise
Die Unterschiede zwischen den Märkten bleiben erheblich: Während einige europäische Hauptstädte weiterhin eine starke Mietdynamik aufweisen, liegen andere klar unter dem Durchschnitt. Über alle analysierten Märkte hinweg beträgt die ungewichtete Durchschnittsmiete im Q3 2025 20,43 €/m² pro Monat – ein Anstieg um 2,1 % gegenüber Q1 (20,02 €/m²) und 4,5 % im Jahresvergleich. Der Druck bleibt insbesondere in Irland hoch: Dublin ragt mit 45,00 €/m² erneut deutlich heraus und distanziert sich klar von anderen europäischen Top-Märkten wie London (39,50 €/m²) und Zürich (33,60 €/m²). Deutlich erschwinglichere Märkte wie Leipzig (10,30 €/m²) oder Lüttich (11,10 €/m²) liegen weiterhin deutlich unter dem Durchschnitt.
Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in Europa haben sich im Q3 2025 weiter stabilisiert: Der ungewichtete Durchschnitt liegt bei 5.795 €/m², was einem moderaten Anstieg von 1,7 % in den vergangenen sechs Monaten und 2,7 % im Jahresvergleich entspricht. Während die Spitzenrenditen im Durchschnitt bei 4,57 % und damit weitgehend unverändert liegen, lassen sich die steigenden Kaufpreise auf das höhere Mietniveau zurückführen.
Deutschland-Fokus
In den acht größten deutschen Städten zeigen die Neuvertragsmieten im Durchschnitt über alle Wohnungstypen wenig Bewegung. Während sie sich durchschnittlich etwa seitwärts entwickeln, zeigen die größten Städte Berlin (17,00 €/m²), Hamburg (16,90 €/m²), München (24,00 €/m²) und Köln (15,10 €/m²) leicht gesunkene Mietpreise. Dies ist jedoch insbesondere der Tatsache geschuldet, dass der Anteil von Neubauwohnungen in der Auswertung geringer geworden ist und die Durchschnittsmiete so verhältnismäßig mehr (günstigere) Bestandswohnungen enthält.
Während in München und Stuttgart auch die Kaufpreise statistisch marginal gesunken sind, zeigen die anderen deutschen Märkte gestiegene Kaufpreise im Vergleich zu Q1 2025 – insbesondere Köln (+5,3 %) und Düsseldorf (+7,6 %). Die Renditen sind in allen der acht größten Städte Deutschlands gesunken – Berlin und München verzeichnen mit 3,90 % die geringsten Renditen, während sich in Leipzig mit 5,00 % die höchsten Renditen erzielen lassen.
Sonderthema: Mobilität eingeschränkt – „Lock-in-Effekt“ verstärkt sich
Als Sonderthema analysiert Catella die Entwicklung von Marktmieten, tatsächlich gezahlten Mieten und Verbraucherpreisen. Die Analyse zeigt, dass die Wohnkostenbelastung im Durchschnitt nicht stärker gestiegen ist als andere Lebenshaltungskosten. In den vergangenen fünf Jahren sind die Verbraucherpreise in der EU jährlich um 4,8 % gestiegen, während die tatsächlich gezahlten Mieten nur um 2,6 % zulegten. Lediglich Irland, Portugal und Polen verzeichneten schnellere Anstiege bei den tatsächlichen Mieten. Zusammen mit Spanien, wo die Marktmieten im Schnitt um 8,7 % pro Jahr gestiegen sind, gehören diese Länder zu den Märkten mit besonders starkem Mietwachstum. Die Niederlande sind neben Polen der einzige Markt, in dem die Marktmieten (2,5 % jährlich) langsamer gestiegen sind als die tatsächlich gezahlten Mieten.
„Europaweit sind die Wohnraummieten in Irland mit einem jährlichen Plus von 12,3 % in den vergangenen fünf Jahren am stärksten gestiegen“, sagt Petra Blazkova, Head of Catella Group Research and Strategy. „Die irische Wirtschaft und ihr Wohnungsmarkt haben trotz ihrer stärkeren Zyklizität vom Brexit profitiert und dem Land in der aktuellen globalen geopolitischen Unsicherheit einen unternehmerischen Vorteil verschafft. Das Kernproblem liegt jedoch woanders: Marktmieten bei Neuabschlüssen sind nicht nur in Irland, sondern in den meisten europäischen Städten doppelt so stark gestiegen wie Bestandsmieten.“
Dies verstärkt den „Lock-in-Effekt“: Haushalte ziehen seltener um, weil sie die deutlich höheren Mieten bei einem Wohnungswechsel nicht tragen können oder wollen – selbst dann, wenn eine andere Wohnung oder Lage besser zu ihren Bedürfnissen passen würde. So leidet beispielsweise die Arbeitsmobilität, wenn ein Umzug von Berlin nach Hamburg für einen neuen Job unerschwinglich wird. Auch die Mobilität innerhalb regionaler Märkte ist eingeschränkt: Haushalte verbleiben in Wohnungen, die inzwischen zu klein sind, was zu zunehmenden Fehlallokationen und Überbelegung führt.