
Alternative Investments stehen ganz explizit im Fokus einer möglichen Reform der EbAV II-Richtlinie. Ziel ist es, den fragmentierten Binnenmarkt für betriebliche Altersversorgung zu überwinden und das Kapital von Einrichtungen der Altersversorgung stärker in langfristige Anlagen wie Private Equity, Infrastruktur, Private Debt und Immobilien zu lenken.
Die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA hat hierzu am 8. September 2025 auf Wunsch der EU-Kommission einen Technical Input zur Anpassung der EU-Richtlinie 2016/2341 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung der betrieblichen Altersversorgung (EbAV II-Richtlinie) vorgelegt. Der Input ist Teil der Entwicklung der „Savings and Investments Union (SIU)“-Strategie und enthält ein ganzes Bündel an Reformvorschlägen.
Was sind Einrichtungen der Altersversorgung?
Es geht um die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, im Englischen Institutions for Occupational Retirement Provision (IORPs).
Für IORPs ist die EbAV II-Richtlinie das zentrale EU-Regelwerk. Anders als Versicherer sind IORPs nicht primär gewinnorientiert, sondern verwalten Altersversorgungspläne für Arbeitnehmer.
In Deutschland fallen hierunter insbesondere als VAG-regulierte Einrichtungen:
- Pensionskassen (§§ 232 ff. VAG)
- Pensionsfonds (§§ 236 ff. VAG)
Stark vereinfacht sind Pensionskassen eher versicherungsähnlich organisiert. Sie geben stabile, in der Regel weniger renditestarke Leistungsversprechen ab und zeichnen sich durch starke Sicherheitsorientierung aus.
Pensionsfonds wiederum lassen sich untechnisch als investmentfondsähnlich beschreiben. Sie unterliegen nur eingeschränkt quantitativen Anlagevorschriften und können deshalb kapitalmarktorientierter agieren und könnten auch höhere Alternatives-Quoten fahren.
Regulierung der IORPs
Für IORPs gilt nicht die Solvency II-Richtlinie für Versicherer, sondern mit der EbAV II-Richtlinie ein eigenständiger, prinzipienorientierter Aufsichtsrahmen.
Da IORPs langfristige Verpflichtungen bedienen und im Fall der Pensionsfonds der Arbeitgeber für Defizite haftet, verzichtet der Gesetzgeber auf harte Kapitalanforderungen.
Die Systemlogik der EbAV II-Richtlinie ruht stattdessen auf einem Dreieck aus Flexibilität, Governance und Transparenz:
- Flexibilität durch den Verzicht auf Eigenmittelvorgaben,
- Governance durch Anforderungen an Organisation, Schlüsselfunktionen und Risikomanagement,
- Transparenz durch umfassende Informationspflichten gegenüber Aufsicht und Mitgliedern.
Fragmentierter Binnenmarkt
Die EbAV II-Richtlinie enthält keine EU-weit geltenden Quoten oder Limits für Assetklassen – auch nicht für Alternative Investments.
Die Umsetzung in den Mitgliedstaaten ist daher sehr heterogen.
EIOPA hat dies in einem Annex on quantitative investment limits in supplement to the IORP II’s Prudent Person Rule empirisch erhoben:
- Einige Mitgliedstaaten folgen konsequent dem Prudent Person Principle (PPP) und verzichten auf Quoten.
- 17 Mitgliedstaaten nutzen hingegen formale Anlagequoten.
- In Deutschland gilt für Pensionskassen z. B. die Anlageverordnung (AnlV) mit detaillierten Quoten.
Diese Fragmentierung behindert einen echten Binnenmarkt. In mehreren Mitgliedstaaten können IORPs aufgrund nationaler Limite kaum in renditestarke, langfristige Anlagen aus dem Alternatives-Bereich investieren.
Reformvorschläge von EIOPA
Heute erlaubt Art. 19 EbAV II den Mitgliedstaaten, nationale Anlagebeschränkungen zu setzen.
Viele haben davon Gebrauch gemacht (siehe oben) – entstanden ist ein Flickenteppich restriktiver Regelungen, der IORPs nach Ansicht von EIOPA beim Zugang zu Alternatives behindert, obwohl sie dafür die langfristige Risikotragfähigkeit hätten.
EIOPA skizziert daher in Abschnitt 1 des Dokuments EIOPA-BoS-25/418 zwei Reformoptionen für Art. 19 IORP II:
Option 1: Vollständiger Wechsel auf risikobasierte Prudent-Person-Regel
- Investitionen (auch in Alternatives) nur, wenn deren Risiken die IORPs vollständig verstehen, messen, steuern, kontrollieren und berichten können
- Mitgliedstaaten dürfen keine pauschalen Anlageverbote mehr erlassen
- Ausnahme: bei „DC-Schemes“ (beitragsorientierte Zusagen, bei denen das Kapitalmarktrisiko beim Mitglied liegt), dürfen Mitgliedstaaten weiterhin gewisse Schutzvorgaben setzen
- Konsequenz:
- Wegfall nationaler Quoten, wie wobei voraussichtlich bei Pensionskassen wegen des beim Mitglied bestehenden Risikos weiterhin Quoten gemäß der AnlV gestattet wären
- Maximale Flexibilität, aber massiv verstärkte Anforderungen an Risikomanagement, ORA und Governance
Option 2: Klare Erlaubnis für Alternatives, aber Beibehaltung nationaler Quoten
- Explizite Erlaubnis, in Alternatives zu investieren
- Mitgliedstaaten dürfen weiterhin allgemeine Risikogrenzen oder Quoten setzen
- Konsequenz:
- IORPs erhalten ein verbrieftes EU-Recht auf Zugang zu Alternatives,
- nationale Quoten (z. B. AnlV in Deutschland) können aber grundsätzlich fortbestehen
⚠️ Wichtig: Beide Optionen sind lediglich Vorschläge, keine Empfehlungen.
EIOPA betont, dass keine Folgenabschätzung durchgeführt wurde. Die EU-Kommission soll selbst die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit bewerten.
Ergebnisse und Einordnung
- Die Flexibilität im Anlageverhalten ist ein Kernelement, das IORPs von Solvency-II-Versicherern unterscheidet.
- Diese Flexibilität wird in den Mitgliedstaaten unterschiedlich genutzt – von sehr liberalen PPP-Ansätzen bis zu starren Quoten.
- Alternative Investments werden dadurch sehr ungleich behandelt und gelten im Rahmen der geplanten Savings and Investments Union (SIU) als politisch untergenutzt.
- Die EIOPA-Vorschläge sind noch nicht beschlossen; der Reformprozess steht erst am Anfang und ist eng zu verfolgen.