Problemimmobilien stellen Asset- und Property-Manager vor besondere Herausforderungen: Instandhaltungsstaus, technische Defizite oder organisatorische Mängel prägen das Bild. Die Arbeit ist zeit- und personalintensiv, doch gleichzeitig bietet es auch Chancen, das Management von Problemimmobilien zu übernehmen. Denn es lassen sich neue Geschäftspotentiale erschließen und die Aufträge werden wegen des höheren Aufwands oft besser vergütet. Wie sich Problemimmobilien in den Griff bekommen lassen, darüber diskutierten auf Einladung von Rueckerconsult vier Expertinnen und Experten im Rahmen der Online-Panel-Reihe „Asset und Property Management konkret“: Thomas Heidelberger, Geschäftsführer von REIC, Jürgen Hau, Geschäftsführer der INDUSTRIA Immobilien, Carolin Dose, Managing Director of Asset Management bei HIH Real Estate, sowie Catherine Luithlen, Head of Asset Management Europa bei Manova Partners.
Was macht eine Immobilie zum Problemfall?
„Eine Problemimmobilie ist ein herausforderndes Asset, das aufgrund verschiedenster Faktoren seine Performanceziele nicht mehr erreicht – technisch, in der Vermietung, administrativ oder rechtlich. Dann braucht es ein intensiveres, strategischeres Management“, erklärt Catherine Luithlen von Manova Partners. „Wir übernehmen bewusst solche Mandate, aber auch in unserem Bestandsportfolio gibt es vereinzelt Objekte, die aus unterschiedlichen Gründen zu Problemimmobilien werden.“ Carolin Dose von der HIH Real Estate ergänzt: „Ein guter Asset Manager ist immer ein Problemlöser. Herausforderungen gehören dazu. Problemimmobilien sind sogar spannend, weil wir dann wirklich managen können, statt nur zu verwalten. Der Markt hat sich verändert, so dass viele Immobilien anders betrachtet werden müssen, gerade Bürogebäude.“
Die INDUSTRIA managt rund 24.000 Wohneinheiten, überwiegend als Asset- und als Property-Manager für die eigenen Fondsobjekte. Seit 2022 bietet das Unternehmen seine Asset- und Property-Management-Leistungen erfolgreich auch Dritten an. Für Geschäftsführer Jürgen Hau können Problemimmobilien „sehr unterschiedliche Gesichter“ haben: „Im Neubau kann zum Beispiel eine zunächst abgesagte und verspätet durchgeführte Abnahme des Objektes zu massiven Verzögerungen bei der Übergabe der Wohnungen an Mieter führen. Bei Bestandsobjekten sind es häufig eine unvollständige Datenlage bei den Stammdaten, hoher Leerstand oder eine lückenhafte Miet- beziehungsweise Objektbuchhaltung.“
Thomas Heidelberger beschreibt seine Arbeit bei der REIC so: „Wir kommen oft als Feuerwehr – wenn die Probleme bereits massiv sind. Wir sind als Asset- und Property-Manager unterwegs und kommen ursprünglich aus der Betriebskostenanalyse. Dort sieht man sehr schnell, wo es brennt. Wenn Betriebskosten nicht abgerechnet werden, fehlen Cashflows für Opex und später für Capex. Ein typischer Fall: Ein internationaler Modehändler zieht aus und niemand weiß, wie es weitergeht. Dann gehen wir hin, reden mit Mietern, verhandeln Abschlagszahlungen und entwickeln kreative Lösungen.“
Die Panelisten betonten, wie wichtig eine klare Strategie und zügige Stabilisierung der in Schieflage geratenen Immobilien seien. Während im Wohnsegment vor allem Instandhaltungslücken und großer Mieterkommunikationsbedarf dominierten, stünden bei Gewerbeimmobilien häufig strukturelle Vermietungsprobleme oder Spezialthemen wie Brandschutz im Vordergrund.
Der erste Schritt: umfassende Analyse, realistische Agenda
Beim Onboarding bildet eine umfassende Analyse die Grundlage jeder Strategie. Je nach Ausgangslage dauere diese Phase in der Regel zwischen zwei und sechs Monaten, sagt Jürgen Hau: „Bei Mandaten mit herausfordernden Hintergründen – etwa Insolvenznähe – kann das in Einzelfällen auch länger dauern. Wichtig ist in solchen Fällen, die Lage realistisch zu bewerten, um einschätzen zu können, was auf einen zukommt, um dann die geeigneten Maßnahmen zur Minimierung beziehungsweise Beseitigung zu ergreifen.“
Besonders herausfordernd werde es, wenn Daten fehlten oder Dienstleister ausfielen, erklärt Thomas Heidelberger: „Oft ist schon die Behörde vor Ort und droht mit Nutzungsuntersagung. Dann braucht man Lösungen innerhalb von Tagen. Ein Mini-Businessplan hilft, schnell Struktur in die Themen zu bekommen.“
Für Carolin Dose ist neben Vertrags- und Marktdaten vor allem die Begehung der Immobilie essenziell: „Wir sprechen mit dem Eigentümer, mit Mietern, Facility-Managern und hören sehr gut zu. Erst dann entwickelt sich das richtige Verständnis dafür, was eine Immobilie wirklich braucht. Auf der Grundlage der Begehung, der Ziele des Eigentümers und einer umfassenden Analyse entwickeln wir anschließend die Businesspläne für die Immobilie.“
Dass Mieterkommunikation ein wichtiger Teil des Onboardings ist, traf auf allgemeine Zustimmung. Catherine Luithlen: „Mieter sind oft schon erleichtert, wenn einfach jemand reagiert. Wir hören zu, erklären klar, was möglich ist – und halten uns an Zeitpläne. Leere Versprechungen darf es nicht geben.“
ESG als integraler Bestandteil jeder Immobilienstrategie
Ein weiterer Konsenspunkt innerhalb der Diskussion: ESG ist mittlerweile integraler Bestandteil jeder nachhaltigen Immobilienstrategie und kein „nice to have“. Gleichzeitig müsse man aber pragmatisch bleiben, so Catherine Luithlen: „Wir haben Gebäude, da kann man nur die Heizung an- oder ausschalten – da steht ESG erstmal hinten an. Aber für bonitätsstarke Mieter sind ESG-Maßnahmen entscheidend. Deshalb müssen wir langfristig planen.“
Jürgen Hau macht zudem darauf aufmerksam, dass man unterscheiden müsse: „Quick Wins ja – große Umbauten nur nach intensiver Prüfung.“ Solche Quick Wins sind schnell umsetzbare Maßnahmen wie beispielsweise eine Optimierung der Gebäudeleittechnik, eine LED-Beleuchtung zur Reduzierung des Stromverbrauches oder eine mit intelligenter Regeltechnik ergänzte Heizungssteuerung in Bestandswohngebäuden. Größere ESG-Maßnahmen hingen jedoch stark vom Finanzierungsrahmen, Wirtschaftlichkeit und der Risikobereitschaft des Eigentümers ab.
Gehe es bei einer Problemimmobilie um Refinanzierung, könne ESG sofort zum wichtigsten Thema überhaupt werden, weiß Thomas Heidelberger: „Sobald die Banken entsprechende Daten verlangen, muss man sie liefern.“ Er weist er darauf hin, dass häufig Problemimmobilien durch Probleme bei der Refinanzierung entstünden.
Carolin Dose betont den Einfluss des Asset-Managers an dieser Stelle: „Eine Bank weiß sehr genau, dass investiert werden muss, um den Ertrag der Immobilie oder den Wiederverkaufswert zu erhöhen. Ein Asset Manager kann der Bank sehr genau verschiedene Visionen für eine Immobilie aufzeigen, auch unter ESG-Gesichtspunkten.“
Voraussetzungen für wirtschaftlich erfolgreiche Problemlösungsmandate
Drei Faktoren sind laut der Panelgäste entscheidend für ein wirtschaftlich erfolgreiches Mandat bei Problemimmobilien: erstens eine transparente Datenlage und realistische Ziele, zweitens ausreichende Ressourcen des Managers, drittens die Bereitschaft und die finanzielle Fähigkeit des Eigentümers, notwendige Investitionen zu tätigen.
Fehlt eines dieser Elemente, könnten Asset- und Property-Manager die Problemimmobilie zwar stabilisieren, aber nicht unbedingt deren Wertsteigerung vorantreiben. Selbst eine reine Cashflow-Stabilisierung sei in vielen Fällen bereits ein Beitrag zur Wertoptimierung, so die Diskutanten. „Wenn das Ziel des Kunden ist, das nächste und übernächste Jahr zu überleben, beinhaltet unser Mandat nicht unbedingt die langfristige Wertsteigerung“, erklärt Thomas Heidelberger.
Catherine Luithlen ergänzt: „Jede Capex-Maßnahme ist eine Wertsteigerung für die Immobilie. Das sollte im Fokus jedes Asset-Managers stehen.“
Ein Ziel kann unter Umständen auch nur ein geordneter Rückzug oder Verkauf sein, wie Jürgen Hau sagt: „Wichtig ist nur, dass die Strategie klar definiert ist.“
Reputationsrisiken: Vom Problemfall zur Chance
Asset- und Property-Manager, die eine Problemimmobilie übernimmt, müssen damit rechnen, für Probleme verantwortlich gemacht zu werden, die sie nicht verursacht haben. „Entscheidend ist immer eine aktive Kommunikationsstrategie: offener Umgang mit bekannten Problemen, ehrliches Erwartungsmanagement und klare Kommunikation über Zeitpläne und Maßnahmen“, sagt Carolin Dose. Catherine Luithlen meint: „Wenn man so ein Mandat übernimmt, darf man nicht das Risiko der Reputation im Fokus haben, sondern eher die Chance, auch seine Kompetenz unter Beweis zu stellen.“