Der EU Green Deal und die Sustainable Finance-Regulatorik
Der Ursprung des EU Green Deals liegt in dem Bestreben, die Europäische Union bis zum Jahr 2050 zu einem klimaneutralen Gebiet umzugestalten und eine ökologische Vorreiterrolle in der Welt einzunehmen. Seit der Veröffentlichung im Jahr 2019 ist es das primäre Ziel des Green Deals, die globale und europäische Wirtschaft so zu steuern, dass nachhaltiger und ressourceneffizienter gewirtschaftet wird. Durch die Förderung von „nachhaltigen Investments“ (im Sinne des Artikel 2(17) der EU-Offenlegungsverordnung) wie beispielsweise erneuerbaren Energieanlagen oder einer nachhaltigeren Immobilienwirtschaft zielt das Rahmenwerk darauf ab, Finanzmittel zur Bekämpfung der beschriebenen Probleme umzulenken.
Viele überzeugte Produktanbieter von ESG- oder Impact-Fonds begrüßen den EU Green Deal, da seit der Einführung dem vorher größtenteils unregulierten Marktsegment die nötige Kredibilität und Aufmerksamkeit beigemessen wird. Somit konnte Green Washing durch die Einführung des EU Green Deals deutlich leichter nachgewiesen werden, was zu einem starken Anstieg an offengelegten Green Washing Vorfällen seit dem Inkrafttreten der SFDR im Jahr 2021 führte.
Trotz der umfassenden Aufmerksamkeit auf nachhaltige Investmentprodukte findet man im aktuellen Kosmos des EU Green Deals keine Erwähnung von „Impact-Investing“. Eine mögliche Erklärung für diesen Umstand könnte die zum Zeitpunkt der Einführung des EU Green Deals fehlende Einigkeit über eine EU-weite Definition von Impact-Investing sowie die damals noch mangelnde Aktualität des Marktsegments sein.
In Anbetracht der hohen Summe des verwalteten Vermögens im Impact-Segment ist es bedauerlich, dass „Impact Investing“ weder in der EU-Offenlegungsverordnung noch in der EU-Taxonomie Beachtung findet.
Hintergrundinformationen zu gängigen Impact-Frameworks
Aufgrund fehlender offizieller Definitionen von Impact-Investing durch nationale oder europäische Institutionen haben sich verschiedene Definitionen durch Initiativen wie das Global Impact Investing Network (GIIN) etabliert. Die Bundesinitiative Impact Investing (BIII) konkretisierte diese Position in ihrem Positionspapier von Dezember 2022 und konnte so die signifikante Reallokation und Mobilisierung von Kapital in Richtung Impact Investing fördern sowie eine neue Haltung in der deutschsprachigen Wirtschafts- und Finanzwelt etablieren. Die Impact Investing-Definition der BIII lautet wie folgt:
„Impact Investing (wirkungsorientiertes Investieren) umfasst einen Investmentansatz, der neben einer finanziellen Rendite auch eine messbare ökologische und/oder soziale Wirkung (Impact) erzielen möchte“. Die BIII unterteilt „genuines“ Impact Investing weiterhin in vier Kernkriterien:
Kernkriterium | Beschreibung |
---|---|
Asset Impact | Real-weltlicher, signifikanter und netto-positiver Impact auf Unternehmens-/Asset-Ebene |
Investoren-Impact | Netto-positiver, signifikanter Impact des Investors auf den Asset-Impact durch finanzielle/nichtfinanzielle Unterstützung, Engagement, Maßnahmenpläne etc. |
Intentionalität und Rechenschaft | Eine klare Impact-Intentionalität und Rechenschaft für Impact auf der Grundlage robuster Evidenz |
Impact-Messung und -Management (IMM) | Ein funktionales Messbarkeits- und Management-System für real-weltlichen Impact |
Diese Kriterien ermöglichen eine klare Abgrenzung von konventionellen ESG-Ansätzen. Investitionen, die nicht alle vier Kriterien erfüllen, werden als „wirkungskompatibles“ oder „wirkungseffektives“ Investieren definiert.
Trotz der positiven Resonanz auf die Definitionen von GIIN und BIII stellen Impact Investoren fest, dass die Kombination der Anforderungen des EU Green Deals und der Impact-Rahmenwerke schwer umsetzbar ist.
Das Dilemma
Impact-Investoren stehen vor der Herausforderung, sowohl die Kernkriterien der Impact-Definitionen (z.B. von der BIII) als auch die strengen regulatorischen Anforderungen der EU erfüllen zu wollen, um dem höchsten Nachhaltigkeitsanspruch gerecht zu werden. Besonders das Kriterium „Investoren-Impact“ ist entscheidend, da ein netto-positiver, signifikanter Impact durch den Asset Manager nachgewiesen werden muss. Viele Investoren haben sich an die SFDR-Produktklassifizierungen (Artikel 6/8/9) gewöhnt, obwohl diese von der EU nicht als Klassifizierungsrahmen gedacht waren.
Impact-Investoren streben die höchsten Nachhaltigkeitsambitionen an und sollten daher als Artikel 9-Fonds klassifiziert sein. Dies ist jedoch oft nicht realisierbar, insbesondere bei Impact-Produkten in der sozialen Immobilienwirtschaft. Die binäre Struktur der EU-Taxonomie verlangt, dass Investitionen bereits zum Zeitpunkt des Ankaufs den strengen Anforderungen entsprechen, was geplante ökologische Verbesserungen nicht berücksichtigt.
Das aus diesem Umstand entspringende Dilemma lässt sich an einem Beispiel aus dem deutschen Gebäudebestand veranschaulichen:
Der deutsche Gebäudebestand ist für rund 40% der CO2-Emissionen im Land verantwortlich und im Bestand entfallen immer noch fast 80% der Wärmenutzung auf fossile Energieträger wie Gas und Öl. Trotz der bisherigen Anstrengungen dominieren fossile Energien weiterhin die Wärmeerzeugung. Es ist daher dringend erforderlich und weithin von wissenschaftlichen Experten gefordert, Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Immobiliensektor zu ergreifen.[1] Folgerichtig haben sich bei ökologischen Anlagezielen auf Fonds-Ebene CO2-Absenkpfade als nützliches und anschauliches Anlageziel zur Bekämpfung des Klimawandels etabliert. Da CO2-Ausstöße eng an den Energieverbrauch von Immobilien geknüpft sind, hat die Europäische Kommission ambitionierte Ziele an den Primärenergiebedarf von Immobilien in der EU-Taxonomie aufgestellt. Der Primärenergiebedarf bezeichnet die Gesamtmenge an Energie, die gewonnen werden muss, um den Energiebedarf einer Immobilie zu decken.
Zur Erreichung eines ökologischen Investoren-Impacts und für den Nachweis eines verbesserten CO2-Absenkpfads muss also eine energetische Ertüchtigung der Immobilien erfolgen. Je schlechter die energetische Verfassung der Immobilie zum Ankaufszeitpunkt ist, desto mehr Potenzial für ökologischen Investoren-Impact bietet diese. Demgegenüber muss für die Erreichung der Anforderungen aus der EU-Taxonomie bereits zum Ankauf die beste Energieeffizienzklasse (Klasse A) nachgewiesen werden. Artikel 9-Fonds mit einer Taxonomie-Quote von 100%, also solche Fonds mit dem höchsten ökologischen Ambitionsniveau, dürften demnach nur energetische „Leuchtturmprojekte“ ankaufen. Dieser Umstand wirft sowohl bei Impact-Investoren als auch bei Kapitalgebern grundlegende Fragen auf.
Aus Sicht von Impact-Investoren führt dieser Umstand einerseits dazu, dass sie häufig auf die Artikel 9-Klassifizierung und Anforderungen an die Taxonomiekonformität verzichten müssen. Andererseits erschwert das Dilemma insbesondere die Vermarktung von Impact-Fonds und sorgt für Zurückhaltung bei Investoren, welche sich bereits an die vermeintlichen Produktklassen nach Artikel 6/8/9 gewöhnt haben. Ein regulatorischer Rahmen würde nicht nur den Produktanbietern, sondern auch dem übergeordneten Ziel der EU nach mehr Transparenz und der Verlagerung von Kapital zu mehr Nachhaltigkeit, verhelfen.
[1] https://www.dena.de/newsroom/meldungen/2023/dena-gebaeudereport-2024-klimaschutz-im-gebaeudebestand
Ausblick und Handlungsempfehlungen
Der EU Green Deal ist ein ehrgeiziges Vorhaben mit dem enormen Potenzial eine nachhaltige und klimafreundliche Zukunft zu gestalten. Die fehlende regulatorische Berücksichtigung von einem der Kernkriterien von Impact Investing, dem Investor-Impact, stellt jedoch eine klaffende Lücke in dem Rahmenwerk dar, welche dringend von der Europäischen Kommission geschlossen werden muss. Impact-Investoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der aufgestellten globalen und europäischen Nachhaltigkeitsziele – ihre Aktivitäten sollten im Rahmen des EU Green Deal deutlich stärker und adäquater berücksichtigt werden.
Aufgrund der lauter werdenden Kritik sind sich die europäischen Organe mittlerweile der beschriebenen Problematik bewusst und so hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) im Mai 2024 ihre Leitlinien für Fondsnamen, die ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwenden, veröffentlicht.[1] Die Leitlinien zielen darauf ab, Anleger vor einem Greenwashing-Risiko zu schützen und Mindeststandards für Fonds festzulegen, die in der EU zum Verkauf angeboten werden und bestimmte ESG-Begriffe in ihrem Namen verwenden. Besonders interessant ist in diesem Kontext die Definition von Produkten, welche „Impact“ im Namen verwenden, denn an dieser Stelle wird erstmalig, fünf Jahre nach der Veröffentlichung des EU Green Deals, Impact Investing definiert. Betroffene Fonds müssen demnach entweder die neuen, in den Leitlinien festgelegten, Anforderungen an das Portfolio erfüllen und eine Mindestquote von 80% nachhaltigen Investitionen einhalten oder ihren Namen ändern. Auch wenn es für den Impact-Markt sehr begrüßenswert ist, dass sich die EU nun endlich dem Impact-Thema angenommen hat, wird es dem dynamischen Marktsegment nicht gerecht, dass sich bei der Begriffsdefinition sehr eng an die erste, sehr vage Definition des Impact-Begriffs der Rockefeller Foundation aus dem Jahr 2007 gehalten wurde. Der Impact-Markt hat sich jedoch seit dieser ersten Definition, wie oben dargestellt, enorm weiterentwickelt.
Die Leitlinien der ESMA stellen, trotz der berechtigten Kritik, eine wichtige Annäherung beider Regulatorik-Universen dar. Eine weitere Angleichung der von der EU verwendeten Definition und moderneren, international anerkannten Impact-Rahmenwerken, wie die des GIIN oder der BIII sind aber weiterhin erforderlich.
Durch einen Blick auf internationale Regularien, wie den Vorgaben aus der britischen Sustainability Disclosure Requirements (SDR) oder den “Basic Guidelines on Impact Investment (Impact Finance)“ aus Japan könnte eine Angleichung intensiviert werden. Denn auch im internationalen Ausland folgen immer mehr Gesetzgeber dem Europäischen Vorbild und integrieren Impact Investing in der Regulatorik. Die SDR führten beispielweise, parallel zu den Ausführungen der EU ein neues Labeling-System für nachhaltige Produkte ein, um Investoren bei der Orientierung auf dem Markt für nachhaltige Anlageprodukte zu unterstützen. Die Produktkategorie mit den höchsten nachhaltigen Anforderungen ist die „Sustainable Impact“-Kategorie. Von Produkten, die dieses Label tragen wird erwartet, dass sie die Kernkriterien für Impact Investing erfüllen: Sie müssen demnach einen netto-positiven, signifikanten Impact auf gesellschaftliche, ökologische Herausforderungen nachweisen. Da die vollständige Umsetzung der SDR jedoch erst ab 2026 beginnen soll, ist es unwahrscheinlich, dass die detaillierteren, britischen Produktkategorien bereits in den kommenden Monaten Einzug in den EU Green Deal halten werden.
Zusätzlich hat die EU bereits im März 2022 einen finalen Bericht zur „The Extended Environmental Taxonomy“ veröffentlicht. Die bestehende EU-Taxonomie soll demnach deutlich erweitert werden und u.a. Raum für „Übergangstätigkeiten“ lassen. Diese Tätigkeiten, wie beispielsweise energetische Ertüchtigungen an Immobilien, würden die oben beschriebene binäre Struktur der bestehenden EU-Taxonomie entzerren sowie Impact-Investoren die Möglichkeit bieten, einen Investor-Impact und somit sowohl die höchsten regulatorischen als auch die strengsten Impact-Rahmenwerke zu erfüllen. Seit der Veröffentlichung des finalen Berichts ist jedoch leider noch kein Bestreben seitens der EU erkennbar, wann und ob die „Extended Taxonomy“ in dieser Form in Kraft treten wird.
Impact Investing hat sich in den letzten Jahren als kraftvolles Instrument zur Transformation des Finanzsystems erwiesen. Mit der richtigen regulatorischen Unterstützung kann es eine zentrale Rolle dabei spielen, eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft zu gestalten. Die dynamische Entwicklung des Impact-Marktes zeigt, dass Investoren bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zur Lösung globaler Herausforderungen beizutragen. Nur durch kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen kann die EU die ehrgeizigen Ziele des EU Green Deals erreichen. Der Blick auf internationale Vorarbeit und die Erweiterung der bestehenden EU-Taxonomie sind praktische Instrumente zur Berücksichtigung von Impact-Investments im europäischen Kontext. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist nicht nur für Impact-Investoren und Asset-Manager entscheidend, sondern auch ein bedeutender Schritt zur Erfüllung der europäischen und globalen Nachhaltigkeitsziele.
[1] https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/2024-05/ESMA34-472-440_Final_Report_Guidelines_on_funds_names.pdf


Die Kernelemente von Impact Investing sind mit der aktuellen Struktur des EU Green Deal nicht vereinbar