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ELTIF: Europäische Erfolgsgesichte – auch für Deutschland?

ELTIFs als verbindendes Element in Europa
Bild generiert mit ChatGPT

„Der Knoten ist geplatzt“, stellt einleitend die breit angelegte Studie zum ELTIF-Markt des Analysehaus Scope fest. Tatsächlich haben sich ELTIF zum Trendsetter der letzten Jahre gemausert. Und auch deutsches privates Anlegerkapital entdeckt zunehmend ELTIF für sich. Der Fondsstandort Deutschland kann aber wieder einmal kaum davon profitieren. Was sind die Entwicklungen und welche Gründe sind hierfür zu vermuten, möchte dieser Beitrag einzuordnen helfen.

Das Analysehaus Scope hat, wie in den Vorjahren auch, eine große Studie zum ELTIF-Markt durchgeführt („ELTIF-Studie“). Die folgenden Zahlen sollen sich darauf beziehen und so die Kernbefunde der ELTIF-Studie verdeutlichen:

  • Betrachtungszeitraum: Jahr 2024
  • Basis der Studie sind die bis zum 31.12.2024 bekannt gewesenen 150 ELTIF, von denen allein 55 ELTIF im Jahr 2024 an Anleger begeben wurden
  • Geschätzter ELTIF-Gesamt-Markt von rd. 20,5 Mrd. Euro, von dem allein 5,7 Mrd. Euro auf den Zuwachs im Jahr 2024 entfallen

Diese zunehmende Marktdurchdringung ist Anlass genug, den ELTIF ein wenig näher danach einzuordnen, was er macht, von wem er genutzt und wofür er nachgefragt wird. Und natürlich stellt sich daneben die Frage, wer im Rahmen der Fondsindustrie seine Werkbank anbieten und damit auf der administrativen Seite von der Wertschöpfung partizipieren kann. Dazu unten gleich mehr.

Schneller Recap zu ELTIF 1.0 und ELTIF 2.0 vor Einstieg in die ELTIF-Studie

Denn bevor wir in die Details der ELTIF-Studie einsteigen, bringen wir uns kurz die wesentlichen Entwicklungen von ELTIF in Erinnerung. ELTIF stehen für „European Long-Term Investment Fund“. Die erste Generation von ELTIF, die seit der Einführung im Jahr 2015 aufgelegt wurden, werden heute auch „ELTIF 1.0“ bezeichnet, um sie von den in der zweiten Generation aufgelegten ELTIF abzugrenzen, die nach Inkrafttreten der ELTIF-2-Verordnung am 10. Januar 2024 aufgelegt wurden und daher ihrerseits als „ELTIF-2.0“ bezeichnet werden:

  • Förderung langfristiger Investitionen in Europa mit dem Ziel, Kapital für Projekte und Unternehmen bereitzustellen, die eine längere Laufzeit haben, wie zum Beispiel Infrastruktur, Immobilien oder nachhaltige Projekte. Dadurch sollt die Kapitalbindung in der Wirtschaft erhöht werden, um Wachstum und Innovation zu unterstützen, insbesondere in Bereichen, die von kurzfristigen Investoren oft weniger berücksichtigt werden.
  • Herkömmliche Fondsstrukturen vor ELTIF 1.0, die – wenn auch nicht unbedingt in Deutschland – in einigen Mitgliedsstaaten der EU auf kürzere Laufzeiten und andere Investitionsziele gerichtet waren, sollten durch einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen ergänzt werden, der
    • auf langfristige, insbesondere illiquide Investitionen spezialisiert ist
    • regulatorischen Schutz für Anleger bietet
    • Zugang für Privatinvestoren schafft, was bis dahin nicht unbedingt in jedem Land der EU auf Grundlage der überkommenen Fondsstrukturen möglich war.

Ein echter Game-Changer war bereits für die ELTIF 1.0 der EU-Vertriebspass. Damit konnten Asset Manager bei einer einzigen nationalen Aufsicht den ELTIF registrieren und in anderen Mitgliedsländern der EU vertreiben. Es ist sich zu vergegenwärtigen, dass das seinerzeit ein echtes Novum begründete, weil bis dahin nur AIFM, aber nicht ein Produkt eines AIFM in der EU passportfähig gewesen war.

Anfänglich machten dem ELTIF jedoch Absorptionsschwierigkeiten im Markt zu schaffen, die auf konzeptionelle Kinderkrankheiten des ELTIF 1.0 zurückzuführen gewesen waren. Wobei trotz dieser konzeptionellen Schwächen der Absatz zwar erst zögerlich, aber in den letzten Jahren doch durchaus schwungvoll war. An diesem grundsätzlich positiven Trend knüpfte die ELTIF-2-Verordnung an, die zum 10. Januar 2024 in Kraft trat. Sie setzt entschieden auf Flexibilisierungen und Harmonisierungen des ELTIF-Regimes. Die Absicht, dem ELTIF zum endgültigen vertrieblichen Durchbruch zu verhelfen, ist nicht zu verkennen. Seitdem nennt man ELTIF in diesem Zusammenhang „ELTIF 2.0“. Vor allen Dingen für Privatanleger und Asset Manager ist der ELTIF 2.0 noch einmal deutlich attraktiver geworden, unter anderem durch:

  • Stärkere Öffnung für Privatanleger: Bei Anlagesummen bis 100.000 Euro ist für durchschnittliche Privatanleger einfacher, in ELTIF zu investieren, da nicht mehr alle strengen Qualifikationskriterien von ELTIF 1.0 zu erfüllen sind.
  • Flexibilisierung sogenannter „qualifizierter Vermögenswerte“, wobei es sich um das eigentliche Salz in der Suppe eines ELTIF handelt; das sind nämlich die nicht-liquiden, langfristig orientierten Investments; die waren in ELTIF 1.0 deutlich enger gefasst und galten als einer der Hauptgründe, warum das ELTIF-Regime von Asset Managern als Produktinitiator anfänglich eher zögerlich genutzt wurde.
  • Erlaubnis semi-liquider ELTIF, die – abweichend eines üblichen geschlossenen Fonds – sogar ein Rückgabefenster (Liquiditätsmanagement im Fonds vorausgesetzt) während der Laufzeit ermöglichen, so dass Anleger sich nicht 10 Jahre und länger binden müssen.

Die ELTIF-Studie vom Analysehaus Scope

Nach Abarbeitung der Basics wollen wir uns nun aber der Studie selbst hinwenden. Zum Ende des Betrachtungszeitraums der ELTIF-Studie (31.12.2024) waren 150 ELTIF im Markt. Die Zahlen der Studie sprechen so klar für den Erfolg von ELTIF 2.0, dass eine weitergehende Interpretation fast belanglos wirkt:

  • 55 ELTIF im Jahr 2024 aufgelegt.
  • Diese 55 ELTIF wurden von 43 Asset Managern aufgelegt, von denen 34 Asset Manager erstmalig einen ELTIF begeben haben.
    • Direkter Vergleich gegenüber 2023: Damals wurden lediglich 20 ELTIF von nur 13 Asset Managern aufgelegt, von denen nur 5 Asset Manager erstmalig einen ELTIF begeben hatten.
  • Geschätzte Größe des ELTIF-Marktes liegt bei ca. 20,5 Mrd. Euro per Ende 2024 (Basis: ELTIF, die gegenwärtig über Mittel verfügen).
    • Direkter Vergleich gegenüber 2023: Das bedeutet im Jahr 2024 gegenüber 2023 ein gestiegener Marktwert von rd. 5,7 Mrd. Euro bzw. ein Marktvolumen-Zuwachs von 38%.
ELTIFS Volumen
Quelle: Scope / Überblick über den ELTIF-Markt 2024/2025

Daraus folgen als erste Ergebnisse, dass der ELTIF-Markt, trotz der konzeptionellen anfänglichen Kinderkrankheiten der ELTIF 1.0 durchaus eine relevante Marktgröße entwickeln konnte. Die ELTIF 2.0 knüpfen hieran an und konnten den Absatz im Verlauf des Jahres 2024 fulminant steigern:

  • Fortlaufende Optimierung der Rechtsstruktur von ELTIF 2.0 im gesamten Verlauf des Jahres 2024. Bereits ab dem 10. Januar 2024 galten die verbesserten Regelungen von „ELTIF 2.0“. Indes im Oktober 2024 wurden die anwendungsbezogenen Details zwischen ESMA und EU-Kommission final vereinbart und in den RTS (Technische Regulierungs-Standards) gefixt.
  • Die Festlegung der RTS und Beseitigung letzter Praxisunklarheiten hatte das starke Momentum im Verlauf von 2024 also weiter verstärken können. Von den im Jahr 2024 aufgelegten 55 ELTIF 2.0 kamen allein 19 davon im vierten Quartal des Jahres auf den Markt.
  • Dieses Momentum hält weiterhin an und verstärkt sich sogar: Während der Betrachtungszeitraum der ELTIF-Studie den Zeitraum nur bis zum 31.12.2024 erfasst und hierin 150 ELTIF ausweist, kann man die tagesaktuelle Anzahl der ELTIF aus dem ELTIF-Register der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA abrufen.

Und danach existieren zum 21.6.2024 bereits 192 ELTIF, so dass hierauf als Anknüpfungs-Tatsache basierend, die Prognose für dieses Jahr nicht zu ambitioniert zu sein scheint, dass im Jahr 2025 sogar noch mehr ELTIF als im ohnehin erfolgreichen Jahr 2024 aufgelegt werden sollten.

Quelle: Scope / Überblick über den ELTIF-Markt 2024/2025

Wer am meisten in ELTIF investiert und woran das liegt

Nach der der regionalen Verteilung der Herkunftsländer des akquirierten Kapitals ergibt sich nach der ELTIF-Studie das folgende Bild:

  1. Platz 1: Franzosen mit 7,5 Mrd. Euro (37% des Gesamtmarktes)
  2. Mit Abstand Platz 2: Italiener mit 3,5 Mrd. Euro (17% des Gesamtmarktes)
  3. Dicht gefolgt Platz 3: Deutsche mit 2,8 Mrd. Euro (14% des Gesamtmarktes)

Vom deutschen Kapitalgesamtmarkt macht allein der bei der CSSF in Luxemburg registrierte klimaVest mit einem Volumen von 1,4 Mrd. Euro zum Zeitpunkt der Erstellung der ELTIF-Studie die Hälfte des Gesamtmarkts aus. Interessant sind auch die Unterschiede in der Allokation: Bei den von Deutschen gezeichneten Produkten dominieren Infrastruktur (71%) und Private Equity (27%). Private Debt (1%) ist im deutschen Markt weit abgeschlagen. Bei den Italienern macht Infrastruktur nur einen geringen Anteil aus (7%), dafür dominieren Private Debt (44%), erst dann kommt Private Equity (31%) und noch andere Asset Klassen in geringerem Umfang. Bei den Franzosen verteilen sich Private Debt (37%), Infrastruktur (33%) und Private Equity (28%) ungefähr gleichmäßig. Vermutlich auch ursächlich für die Abweichung der Allokation in Bezug auf die deutschen Anlegergelder ist, dass deutschen Anlegern für Investments in Real Estate oder Private Marktes bereits geeignete und seit Einführung des KAGB im Jahr 2013 auch regulierte Fondsstrukturen zur Verfügung gestanden hatten. Allen ist gemein, dass Real Estate in ELTIF für sie gar keine oder eine stark untergeordnete Rolle spielt. Mit ein Grund dafür ist sicherlich zumindest auch der zurückliegende Zeitraum bis zur Einführung der ELTIF-2-Verordnung. Erst die ELTIF-2-VO hat auf die Beseitigung einiger enger definitorischer Hürden abgezielt, was Immobilien bis dahin weniger gut in ELTIF einbeziehen ließ. Es wird interessant sein, ob nun unter ELTIF 2.0 mit Blick nach vorne auch mehr Immobilieninvestments in ELTIF zu beobachten sein werden.

Wieso ist der ELTIF-Markt in Deutschland wesentlich kleiner als im an Einwohnern ärmeren Frankreich, und selbst kleiner als in Italien, das noch weniger Einwohner als Frankreich zählt?

Einerseits spielt sicherlich eine Rolle, dass es verschiedene Ansätze in den Ländern gibt, wie Fondsprodukte in die Altersvorsorge eingebunden werden. Außerdem hatte Deutschland bereits seit jeher regulierte Sachwertefonds, so dass sich ELTIF im Vertrieb in einem bereits gut organisierten Markt mit vielfältigen Rechtsstrukturen erkämpfen mussten. Es ist aber auch zu vermuten, dass daneben die in den Ländern unterschiedliche Förderung von ELTIF eine relevante Rolle spielt:

  • Deutschland: Keine Förderung und normale Besteuerung
  • Italien: Steuerliche Förderung, unter gewissen Bedingungen sogar Steuerfreiheit nach 5 Jahren möglich
  • Frankreich: institutionalisierte Förderung über Versicherungs- und Altersvorsorge-Produkte; Unter spezifischen Voraussetzungen können ELTIF als fondsgebundene Lebensversicherungen von Privatanlegern erworben werden. Davon profitieren die Versicherungsnehmer in Form von steuerlichen Vorteilen (reduzierte Einkommenssteuer auf Kapitalerträge) und die Versicherer selbst, weil die ELTIF im Konstrukt des Versicherungsmantels nicht vom Versicherungsnehmer, sondern vom Versicherer gehalten werden; damit verbunden können die Versicherer Eigenmittelhinterlegungs-Privilegien für Long Term Investments nach Solvency II erzielen

Nicht am Fondsstandort in Deutschland werden die ELTIF aufgelegt

Bezieht man alle 192 im ESMA-Register gelisteten ELTIFs ein, zeigt sich, dass die Verteilung des investierten Anlegerkapitals – mit Frankreich an erster und Italien an zweiter Stelle – weitgehend der Anzahl der in diesen Ländern domizilierten Fonds entspricht. Danach wurden in Frankreich 38 ELTIF und in Italien immerhin auch noch 13 ELTIF domiziliert. Angesichts der Platzierung Deutschlands auf einem nicht abgeschlagenen Rang 3 beim akquirierten Anlegergeld wäre es zumindest eine Vermutung gewesen, dass auch hierzulande eine größere Zahl an ELTIF von deutschen KVGen domiziliert sind. Tatsächlich sind es aber nur zwei an der Zahl! Im Moment bringt insbesondere die CSSF die PS auf die Straße. Mit 120 domizilierten ELTIF ist Luxemburg der absolute Spitzenreiter. Gemäß der ELTIF-Studie wurden allein im Jahr 2024 von den 55 aufgelegten ELTIF davon 37 in Luxemburg registriert.

Woran mag das liegen? Zum Auflageprozess eines ELTIF in Deutschland lässt sich ein Produktanbieter in der ELTIF-Studie von Scope zitieren wie folgt: „Die Kommunikation mit der BaFin war seht gut. Die BaFin hat viele Fragen gestellt, um das Produkt zu verstehen. Insgesamt dauerte der gesamte Prozess von der Einreichung bis zur Genehmigung des ELTIF im Oktober 2024 sieben Monate.“ Hieran sollte es also nicht gelegen haben. Beispielsweise kommt in Frankreich wieder „Patriotisme économique“ zum Tragen, wonach es als Teil einer „Buy Local“-Logik gezielt die eigene Fondsindustrie fördert. Danach setzten die spezifischen steuerlichen Förderungen für die Anleger voraus, dass der ELTIF von einem französischen AIFM aufgelegt ist. Hieran kann sich Deutschland gerne ein Beispiel nehmen, was den Anlegern weiterhelfen würde im Rahmen ihrer Altersvorsorge einerseits, und der deutschen Fondsindustrie andererseits.

ERGEBNISSE:

  • ELTIF sind nicht aufzuhalten in Europa
  • In Deutschland spielen sie als Produkt für Privatanleger und vermögende Privatanleger auch eine gewisse Rolle, wobei der Markt insoweit verzerrt ist, dass allein die Hälfte der investierten Mittel auf nur ein einziges Produkt entfallen
  • In den anderen europäischen Ländern, allen voran Frankreich und Italien, versteht man die ELTIF durch gezielte Fördermaßnahmen zu einem relevanten Baustein der Altersvorsorge für Privatanleger zu machen.
  • Für institutionelle Anleger können Erleichterungen bei der regulatorischen Eigenmittelhinterlegung entscheidend sein, ob sie in ELTIFs investieren oder diese in ihre versicherungsmantel-basierten Privatkunden-Produkte einbinden.
  • Die Länder, die ELTIF gezielt als Anlageprodukt fördern, bekommen auch ein größeres Stück vom Fondsstandort-Kuchen ab. Wobei Luxemburg als Fondsstandort für die Auflage von ELTIF mittlerweile ein wichtiges Eldorado zu sein scheint.

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