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Europäische Energieausweise vor der Neuskalierung, Harmonisierung europäischer EPCs

Bild: Catella

Daniel Sponheimer, Catella Investment Management

Die Neufassung der europäischen Gebäuderichtlinie EPBD bringt eine grundlegende Veränderung im Umgang mit Energieausweisen. Mit der im Frühjahr verabschiedeten Novelle verfolgt die EU das Ziel, den Energieverbrauch von Gebäuden über alle Mitgliedstaaten hinweg vergleichbarer zu machen. Zentrale Rolle spielt dabei die Re-Kalibrierung der sogenannten Energy Performance Certificates, kurz EPCs, die künftig einheitlich von Klasse A bis G vergeben werden sollen.

Während es bislang jedem Mitgliedstaat überlassen war, wie die Energieklassen festgelegt werden, sieht die neue Regelung eine verbindliche Referenz vor. Künftig soll Klasse G grundsätzlich die 15 Prozent der Gebäude mit der schlechtesten Energiebilanz innerhalb eines Landes abbilden. Klasse A ist den sogenannten Zero Emission Buildings vorbehalten, die bei Neubauten verpflichtend werden. Dazwischen entstehen neue europaweit harmonisierte Klassen, die nicht nur besser vergleichbar sind, sondern auch digitale Verfügbarkeit, standardisierte Farbskalen und einheitliche Datengrundlagen mit sich bringen.

Diese neue Logik wird für Immobilieninvestoren spürbare Folgen haben. Gebäude, die heute noch als energetisch mittelmäßig gelten, können mit der Neuskalierung in untere Klassen fallen. Besonders problematisch wird das für Assets, die künftig in Klasse F oder G eingeordnet werden. Sie unterliegen dann den sogenannten Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz, wie sie in Artikel neun der neuen EPBD geregelt sind. Diese Anforderungen greifen insbesondere bei Neuvermietung oder Verkauf und führen in der Praxis dazu, dass technische Nachrüstungen verpflichtend werden. Die Energieausweise werden damit nicht mehr nur als Informationsinstrument verstanden, sondern als konkretes Steuerungselement der europäischen Klimapolitik.

Gerade für Fonds mit paneuropäischem Immobilienbestand bringt die Umstellung neue Unsicherheiten. Denn obwohl künftig europaweit einheitliche Klassen vorgesehen sind, sind die heutigen Ausgangslagen extrem unterschiedlich. In Deutschland reicht die Skala derzeit von A+ bis H, basierend auf dem Gesamtenergieverbrauch in Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Frankreich hingegen nutzt bislang nur A bis G, basiert jedoch auf dem Primärenergiebedarf. In Belgien – zumindest in der Hauptstadtregion Brüssel – sind mehr als 15 Unterklassen im Einsatz, von A++ bis G, einschließlich Zwischenstufen wie B– oder E+. Die Niederlande haben als einziges Land sogar die Klasse A++++ eingeführt, um emissionsfreie Gebäude differenzierter abbilden zu können.

In Dänemark sind Gebäude derzeit nach einem Jahrgangssystem klassifiziert. Dort gibt es Kategorien wie A2020, A2015 und A2010, wobei jeweils unterschiedliche Verbrauchsobergrenzen gelten, die zusätzlich an die Gebäudegröße gekoppelt sind. Irland unterscheidet A1 bis A3 und stuft Gebäude in fein gegliederten Energiebanden bis G ein. In Schweden wiederum basiert die Klassifizierung bislang auf relativen Vergleichswerten zum nationalen Referenzstandard. Hier entsprechen die EPC-Klassen einem prozentualen Anteil des zulässigen Höchstverbrauchs, was direkte länderübergreifende Vergleiche erschwert. Norwegen und das Vereinigte Königreich nutzen hingegen CO₂-basierte Indizes, wobei die Verbrauchsangaben oft zusätzlich ausgewiesen werden.

Diese Fragmentierung führt dazu, dass dieselbe Energieklasse in verschiedenen Ländern ganz unterschiedliche reale Verbrauchswerte abbilden kann. Ein Gebäude mit Klasse A in Frankreich kann deutlich sparsamer sein als ein Objekt mit Klasse A in Deutschland oder Spanien. Die geplante Harmonisierung der EPCs soll genau hier ansetzen. Einheitliche Skalen und Grenzwerte sollen künftig nicht nur mehr Transparenz schaffen, sondern auch einen gemeinsamen regulatorischen Referenzrahmen, der für Investoren und Asset Manager über Ländergrenzen hinweg verlässlich ist.

Die digitale Struktur der neuen EPCs spielt dabei eine zentrale Rolle. Energieausweise sollen künftig in elektronischen Registern erfasst, national verfügbar gemacht und langfristig miteinander verknüpfbar sein. Für Kapitalverwaltungsgesellschaften wird es damit wichtiger, verlässliche Datensysteme und Schnittstellen aufzubauen, die diese Informationen automatisiert verarbeiten können. Denn in einem Umfeld, in dem Nachhaltigkeit und Energieeffizienz regulatorisch immer enger verknüpft werden, ist die Verfügbarkeit, Qualität und Vergleichbarkeit dieser Daten entscheidend – nicht zuletzt für die Umsetzung der Taxonomie, für die ESG-Offenlegung gemäß SFDR oder für das strategische Sanierungsmanagement.

Die Harmonisierung der Energieausweise ist ein logischer Schritt auf dem Weg zu mehr Transparenz und Steuerbarkeit im Gebäudesektor. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Eigentümer, Asset Manager und Investoren. Wer sein Portfolio strategisch zukunftsfähig halten will, muss frühzeitig verstehen, was die neue Klassifizierung konkret bedeutet. Denn in einem System, das die energetisch schlechtesten Gebäude automatisch sanktioniert, ist nicht nur die Technik entscheidend, sondern auch die Fähigkeit, regulatorische Signale richtig zu deuten – und daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten.

🛈 Hinweis zur Vergleichbarkeit:

Alle dargestellten Energieklassen basieren auf dem jährlichen Primärenergieverbrauch in kWh/m² und beziehen sich auf den mehrgeschossigen Wohnungsbau. In Ländern, deren Energieausweise ursprünglich eine abweichende Bewertungsgröße verwenden, wurden die Werte zur besseren Vergleichbarkeit standardisiert umgerechnet:

  • Österreich: Der Heizwärmebedarf (HWB) wurde mit einem Umrechnungsfaktor von 1,8 in den Primärenergieverbrauch überführt.
  • Schweden: Der Endenergieverbrauch wurde ebenfalls mit einem Faktor von 1,8 in den Primärenergieverbrauch angenähert.

Die Umrechnung orientiert sich an gängigen energetischen Annahmen für Wohngebäude und ermöglicht eine einheitliche Darstellung im Rahmen einer europaweiten Skala.

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