Interview

„Gewohnt wird immer!“

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Die Immobilienbranche steht noch immer vor großen Herausforderungen. Carsten Demmler, Geschäftsführer von HIH Invest Real Estate, spricht mit Patrick Daum darüber, wo die Politik ansetzen könnte, stellt die Chancen und Risiken der größten Segmente gegenüber und wirft einen kritischen Blick auf die Versorgungswerke, die zuletzt mit riskanten Immobilien-Investments für Schlagzeilen sorgten.

Bild: HIH Invest Real Estate GmbH

Herr Demmler, was ist Ihre Aufgabe als Geschäftsführer der HIH Invest Real Estate?

Als ich im Januar 2019 zur HIH Invest Real Estate kam, habe ich zunächst den Vertrieb geleitet. Ich hatte aber die klare Perspektive, in die Geschäftsführung aufzurücken. Als Geschäftsführer bin ich jetzt insbesondere für das institutionelle Kundengeschäft verantwortlich, für den Vertrieb, die laufende Investorenbetreuung, aber auch für Marketing, Kommunikation und das Risikomanagement.

Was haben Sie vorher gemacht?

Ich war 25 Jahre lang bei verschiedenen deutschen Banken, vor allem im öffentlich-rechtlichen Bereich mit einem Fokus auf die Landesbanken. Ich habe also einen Kapitalmarkt-Background,kenne auch andere Asset-Klassen außerhalb des Immobilienbereichs. Mit der HIH hatte ich bereits 2014 zu tun, als ich für meinen damaligen Arbeitgeber – eine Landesbank – einen Immobilienfonds bei der HIH habe auflegen lassen. Wir haben zwei Fonds konzipiert und die HIH hat sie als Investment und Asset Manager umgesetzt. So kamen die ersten Kontakte schon viele Jahre vor meinem Einstiegzustande.

Warum Immobilien? Was fasziniert Sie an diesem Segment derart?

Der liquide Kapitalmarkt ist aus meiner Sicht wenig greifbar. Anleihen oder Aktien kann man nicht anfassen, man kann sie nicht sehen. Bei Immobilien ist das anders. Und sie haben eine gewisse Lebensdauer. Manche Häuser sind älter als 100 Jahre und gingen durch die Hände vieler Eigentümer. Sie erzählen eine Geschichte, haben eine Seele. Man kann mit einer Immobilie eine ganze Menge machen, ihre Nutzung verändern, alte Bürogebäude zu Wohnhäusern umbauen zum Beispiel. Trotz der Illiquidität ist sie sehr flexibel. Ich habe mir immer die Frage gestellt, was ich meinen Kindern zeigen soll, wenn Sie mich fragen, was ich beruflich mache. Wenn man mit Immobilien arbeitet, kann man den nachfolgenden Generationen zeigen, wem sie gehören oder wie sie genutzt werden. Sie haben eine gewisse Wertbeständigkeit und Haptik. Aber auch die Veränderung von Gesellschaften oder Städten lässt sich sehr gut an Immobilien ablesen. Großstadtimmobilien vom Beginn des 20. Jahrhunderts mit ihren vielen Hinterhöfen sind die Vorläufer der modernen Quartiersentwicklung. Schon damals wurden Wohnen und Arbeiten miteinander kombiniert. Das begleitet unsere Gesellschaft von der Industrialisierung bis in die Neuzeit. Immobilien stellen eine wunderschöne Prozesskette dessen dar, wie sich Gesellschaften und Wirtschaft entwickeln. Heute werden Immobilien immer digitaler, genau wie die Gesellschaft. Letztlich ist die Immobilie wie die Höhle des Steinzeitmenschen. Wir suchen Sicherheit, um irgendwo zu leben. Daran hat sich nichts verändert.

Im Moment erleben wir eine marktbereinigende Korrektur. Das ist nichts Ungewöhnliches, man muss nur mit ruhiger Hand durchgehen.

Der Dekade sinkender und niedrigster, teils negativer, Zinsen – einem goldenen Zeitalter für Immobilien – folgte der rapide Zinsanstieg, der Gift für die Asset-Klasse war. Nun sinken die Zinsen wieder. Wie blicken Sie auf die Geldpolitik?

Es gab sicherlich schon ruhigere Zeiten als gegenwärtig. Wir befinden uns in einem differenzierteren, heterogeneren, aber auch vielschichtigeren und komplexeren Umfeld als noch vor 30 oder 40 Jahren. Die Abhängigkeit der Immobilien vom Kapitalmarkt oder vom Kapitalmarktzins war schon immer gegeben. In den 80er Jahren lagen die Hypothekenzinsen zwischen 8 und 10 Prozent. Immobilien wurden trotzdem gekauft und gebaut. Und auch in dieser Zeit haben Investoren Immobilien mit Hilfe von Fremdkapital erworben. Dieses Fremdkapital und die Finanzierungskosten sind die Gründe für die hohe Korrelation von Immobilien mit dem Kapitalmarkt. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Abhängigkeit vom Kapitalmarkt aber deutlich erhöht. Die Kapitalmarktzinsen waren so niedrig, dass immer mehr Immobilien mit deutlich weniger Eigenkapital erworben wurden. Dadurch hat die Branche einen Boom erfahren. Angesichts der hohen Fremdkapitalquoten hat der schnelle Zinsanstieg ab 2022 für eine sehr dynamische und nachhaltige Korrektur gesorgt. Kapital hat nun wieder einen Preis. Im Moment erleben wir eine marktbereinigende Korrektur. Das ist nichts Ungewöhnliches, man muss nur mit ruhiger Hand durchgehen.

Warum ist das Umfeld vielschichtiger und heterogener geworden?

Wir spüren die Auswirkungen der Globalisierung inzwischen deutlich intensiver. Während Corona haben wir erstmals gelernt, dass nicht immer alles „Just in Time“ geliefert wird, dass Warenlager auch leer sein können, Lieferketten unterbrochen werden, bestimmte Produkte nicht verfügbar sind. Diese Schwächen der Globalisierung wurden auch im Immobilienbereich deutlich, wenn auf den Baustellen zum Beispiel elektronische Bauteile aus Asien fehlten. Zu den globalen und geopolitischen Abhängigkeiten kommt eine Preisabhängigkeit hinzu. Der Ukraine-Krieg hat dazu geführt, dass in Osteuropa ansässige große Zement- und Betonwerke nicht mehr lieferten und die Preise stiegen. Holz und Gas haben sich spürbar verteuert und auch die Baupreise sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Der Preisanstieg wird durch die steigenden Lohnkosten zusätzlich beschleunigt. Die Immobilienwirtschaft steht vor großen, disruptiven Herausforderungen: Sie muss neue Gebäude zu Preisen bauen, die für die Nutzer bezahlbar sind. Zudem müssen deutlich mehr als 20 Millionen Bestandsobjekte in Deutschland für die Neuzeit ertüchtigt und revitalisiert werden. Das wird eine enorme Herausforderung für Jahrzehnte.

Wie lässt sich dieser Herausforderung begegnen? Es muss mehr gebaut werden, aber alles wird teurer. Die Baukosten steigen, es gibt zu wenig Personal.

Es ist wichtig, Anreize für die Bauindustrie und die Immobilienbranche zu schaffen, damit überhaupt noch gebaut wird. Steuererleichterung könnten ein Mittel sein – ein Wegfall der Mehrwertsteuer auf Baumaterialien zum Beispiel oder eine Senkung der Grunderwerbsteuer. Zudem sollte das Handwerk gefördert werden. Um dem dortigen Fachkräftemangel zu begegnen, ist eine Initiative nötig, damit sich junge Leute für handwerkliche Berufe entscheiden. Sie müssen eine Aussicht auf einen guten Verdienst und einen sicheren Job haben. Lange war der Bau ein Niedriglohnsegment mit schwacher Auftragslage. Mittlerweile gibt es den Mindestlohn und die Auftragsbücher der Handwerker sind über Jahre gefüllt. Gleichzeitig erleben wir einen Wegzug der Menschen aus strukturschwachen Regionen in die Metropolen. Kluge Wirtschaftspolitik kann diese Abwanderungsbewegung stoppen. In den verlassenen Regionen, in denen zahlreiche Immobilien leer stehen, müsste wieder Industrie angesiedelt werden. Die Menschen brauchen finanzielle Anreize, damit sie in eine strukturschwache Region ziehen. Die Großstädte haben keine Kapazitäten mehr, um in den kommenden Jahren noch eine Million Menschen aufzunehmen. Deutschland hat jahrzehntelang gut gelebt damit, dass es nicht nur eine Großstadt in einer Region gibt, sondern föderalistisch an verschiedenen Standorten Industrie und Mittelstand vorhanden war. Das fehlt im Moment.

Wohnen, Logistik, Büro – HIH deckt alle großen Immobiliensegmente ab. Wenn ein institutioneller Investor seine Immobilienallokation im Frühjahr oder Frühsommer 2025 neu aufsetzt, wie sollte er investieren?

Wer heute startet, dem würde ich eine Allokation von 20 bis 30 Prozent Büro, 30 bis 40 Prozent Wohnen und 20 bis 30 Prozent Logistik empfehlen. Wohnen als größter Stabilitätsanker im Portfolio hilft institutionellen Investoren, die einen konservativen Ansatz mit wenig Volatilität haben und einen Rechnungszins erbringen müssen. An das Bürosegment glauben wir weiterhin, stellen aber noch stärker als in der Vergangenheit auf die Lage- und Objektqualität ab. Und Logistik ist einfach eine Branche, die benötigt wird. Sie wird eine deutlich größere Rolle spielen. In der Beschaffung, der Lagerhaltung, dem Umschlag, im stetig wachsenden Online-Handel.

Zudem würde ich eine Quote von 10 bis 20 Prozent für Sonstiges offenlassen. Dazu zählen lebensmittel-geankerte Nahversorgung, Gesundheits- und Sozialimmobilien – Universitäten, Schulen, Kindergärten – oder auch Datacenter.

Und beim Bürosegment?

Da fange ich mal mit den Risiken an. Corona war ein enormer Katalysator für das Homeoffice. Es ist ein großes Risiko für den Bürosektor, dass sich das digitale und technologiebasierte Arbeiten von zuhause aus so durchgesetzt hat und man sich schwertut, in die Büros zurückzukommen. Unternehmen brauchen aber Mitarbeiter, die auch im Büro sind. Wie schnell und in welchem Umfang die Rückkehr ins Büro vonstattengeht, ist derzeit aber nicht absehbar. Zudem ist das Sentiment gegenüber Büros sehr schlecht. Wegen der Homeoffice-Debatte, aber auch wegen der sehr dynamischen Preisanpassung der vergangenen Jahre. Von 2018 bis 2021 wurden noch viele Büroobjekte gekauft – vor allem an Nebenstandorten und zu sehr hohen Preisen. In den vergangenen drei Jahren gab es eine starke Preiskorrektur. Viele Investoren, die schlechte Erfahrungen mit Büros gemacht haben, meiden das Segment vorerst. Die Chance für Büro ist, dass ein modernes und effizientes Bürogebäude in einer extrem guten innerstädtischen Lage in den nächsten Jahren einen hohen Bedarf haben wird. Dazu ist aber die infrastrukturelle Anbindung an das Büro wichtig und die technische Ausstattung darf zuhause nicht besser sein als im Büro. Kapitalinvestoren werden mit Büroinvestments in den nächsten Jahrzehnten viel Freude haben, wenn sie entsprechende Qualitätskriterien ansetzen. Es sind antizyklische Chancen, bei denen emotionale Barrieren überschritten werden müssen.

Logistik ist die Halsschlagader unseres Lebens. Wenn dort kein Blut fließt, haben wir keine Chance, unseren Alltag zu bewältigen.

Bleibt noch Logistik.

Ein Risikofaktor ist sicherlich die sehr dynamische Mietpreisentwicklung von teilweise bis zu 40 Prozent in den vergangenen drei, vier Jahren. Die Chancen bleiben bestehen: Es gibt weiterhin steigende Umsätze im Online-Handel, wofür Logistik-Immobilien notwendig sind. Es entstehen disruptiv neue Branchen, die Logistik-Immobilien benötigen. Allein durch die Militarisierung Europas gibt es einen riesigen Bedarf an Logistik – seien es Kleider-, Ersatzteil- oder Fahrzeuglager. Hinzu kommt die Elektrifizierung der Automobilindustrie. Hier entsteht eine doppelte Logistiknotwendigkeit: Es müssen sowohl Lager für die Verbrenner vorgehalten werden als auch parallel für Elektrofahrzeuge. Es entstehen viele neue Logistikindustrien neben den etablierten und sorgen für zusätzliche Nachfrage. Zudem nimmt der Warenaustausch über Schiene und Straße weiter zu. Logistik ist die Halsschlagader unseres Lebens. Wenn dort kein Blut fließt, haben wir keine Chance, unseren Alltag zu bewältigen.

Welche institutionellen Investorengruppen zählen zu Ihren Kunden und wie hoch ist das für sie verwaltete Vermögen?

Wir verwalten aktuell gut 25 Milliarden Euro für unsere 280 institutionellen Investoren. Das sind Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerke, Zusatzversorgungskassen, Versorgungsverbände und Stiftungen. Zudem bilden Kreditinstitute eine große Gruppe – knapp ein Drittel der Sparkassen Finanzgruppe ist bei uns investiert. Punktuell haben wir noch ein paar Family Offices. Die großen Volumina kommen aber von den klassischen institutionellen Investoren.

Lassen Sie uns über die Versorgungswerke sprechen. Da sorgten zuletzt einige wenige für Schlagzeilen, weil sie Millionenbeträge abschreiben mussten, nachdem riskante Immobilieninvestments schiefgingen. Wie blicken Sie als Immobilienexperten auf solche Fälle des Investierens?

Diese Schlagzeilen hinterlassen Bremsspuren für zukünftige Immobilieninvestments von Versorgungswerken. Denn es entsteht natürlich ein negatives Sentiment. Diese Fälle gehen auf das Umfeld extrem niedriger Zinsen zurück und sind Investments, die in einem normalen Marktumfeld – in dem es Zinsen gibt – aus Gründen des Risikoprofils kaum eingegangen worden wären. Dass das Thema Risiko nicht immer adäquat eingeschätzt wurde, hat sicherlich auch an der damals vorhandenen Goldgräberstimmung gelegen. Hätte der Markt ab dem Jahr 2022 nicht diese dynamische Zinswende genommen, wären wahrscheinlich viele über Mezzanine oder klassische Debt-Investments finanzierte Projektentwicklungen gutgegangen. Wir als klassischer Immobilieninvestor machen solche Investments nicht, wir kaufen quasi die Steine. Wir wollen in den echten Sachwert investieren und nicht in die dahinterstehende Finanzierungsstruktur. Natürlich finanzieren wir Immobilien, aber über klassische Bankenfinanzierungen. Wir haben auch Projektentwicklungen aus Projektentwicklerinsolvenzen übernommen, die wir aus einem Equity- oder einem Finanzierungsinvestment mit eigenen Projektentwicklungsressourcen weiterführen. Bei so etwas geht es meist um Verlustminimierung und Haftungsfragen. Für viele Versorgungswerke geht es jetzt sicherlich erst einmal darum, ihre Portfolios zu bereinigen. Aber ein gut diversifiziertes Portfolio sollte solche Abschreibungen eigentlich aushalten.

Gewähren Sie unseren Lesern zum Schluss noch einen Blick in Ihr privates Depot. Wie legt der Geschäftsführer eines Immobilien-Investors sein Geld an?

In meiner privaten Kapitalanlage befindet sich keine einzige Immobilie. Selbstgenutztes Wohneigentum ist aus meiner Sicht Liebhaberei. Mein Portfolio besteht im aktuellen Marktumfeld zu 50 Prozent aus Aktien und zu 50 Prozent aus Renten. Früher war es deutlich aktienreicher. Auf der Aktienseite habe ich auch REIT-Investments und Immobilientitel. Für meine Kinder ist die Aktienquote hingegen deutlich höher, da sind es um die 80 Prozent.

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