Immer mehr ältere Menschen möchten selbstbestimmt leben, auch dann, wenn sie Unterstützung brauchen. Ambulantes Seniorenwohnen entwickelt sich laut Pflegeheim-Atlas Deutschland 2025 von Wüest Partner zu einer zentralen Ergänzung der stationären Pflegeversorgung. Ergänzende Analysen von TERRANUS und KDA/BfS bestätigen den Trend: Der Bedarf steigt, die Mieten driften weiter auseinander.
Wachsende Nachfrage und spätere Umzugsentscheidungen
Schon heute wünschen sich immer mehr Seniorinnen und Senioren, möglichst lange in der eigenen Wohnung oder in einem betreuten Umfeld leben zu können. Die Entscheidung für einen Umzug in eine betreute Wohnform fällt ihnen zunehmend schwerer und wird immer wieder aufgeschoben. Die Daten der KDA/BfS-Studie „Betreutes Seniorenwohnen 2022“ zeigen, dass über die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner 80 Jahre oder älter ist, mehr als ein Zehntel sogar über 90 Jahre.
Neben emotionalen Gründen für einen späteren Auszug spielt die Mietbelastung eine entscheidende Rolle: Wer nur auf Renteneinkommen angewiesen ist, kann sich die Kosten für betreutes Wohnen oft nicht leisten. Sozialhilfeträger unterstützen nicht geförderte Wohnformen bislang nicht, wodurch ein großer Teil der Seniorinnen und Senioren von diesen Angeboten ausgeschlossen bleibt.
Lage und Ausstattung bestimmen Renditepotenzial
Wie auf dem klassischen Wohnungsmarkt entscheidet auch beim betreuten Wohnen die Lage maßgeblich über die Mieten. Nach Auswertungen der KDA/BfS-Studie betragen die durchschnittlichen Kaltmieten in städtischen Regionen 10,47 Euro pro Quadratmeter, in ländlichen Regionen 8,60 Euro. Sehr hochpreisige Angebote von über 20 Euro pro Quadratmeter kommen fast ausschließlich in Städten vor. Abhängig von Ausstattung und Service liegen die Mieten im betreuten Wohnen zwischen 10 und 50 Prozent über den Vergleichsmieten.
Für Investoren gilt: Standortqualität und Konzept entscheiden über den wirtschaftlichen Erfolg. Barrierefreie Grundrisse, funktionierende Quartiersanbindung, Serviceflächen und Gesundheitsangebote schaffen Mehrwert, erhöhen aber zugleich die Kostenstruktur. „Wir müssen nicht nur mehr, sondern vor allem bezahlbare Wohnungen für ältere Menschen schaffen. Am besten dort, wo die soziale Infrastruktur stimmt“, sagt Thomas Lehmann, Director bei Wüest Partner. „Ambulante Wohnformen können helfen, Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern und die Kosten im System zu senken. Dafür brauchen wir Investoren, die Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohl zusammenbringen.“
Fallbeispiel Dortmund: 36 Prozent über Mietspiegel
Wie groß die Unterschiede ausfallen können, zeigt eine Fallstudie von TERRANUS am Beispiel Dortmunds, die im Pflegeheim-Atlas 2025 dargestellt ist. Für die Analyse wurden 22 Anlagen für betreutes Wohnen untersucht. Im Durchschnitt liegen die Kaltmieten 36 Prozent über dem örtlichen Mietspiegel. Besonders teuer sind Gebäude aus den Jahren 1995 bis 2009 mit einem Aufschlag von 46 Prozent, während neuere Anlagen aus den Jahren 2015 bis 2019 mit 27 Prozent über dem Mietspiegel deutlich moderater kalkuliert sind.
Die Unterschiede sind auf verschiedene Marktphasen zurückzuführen. In den 2000er-Jahren war der Dortmunder Wohnungsmarkt weitgehend stabil, sodass Betreiber ihre Mietpreise unabhängig vom allgemeinen Mietniveau festsetzen konnten. Jüngere Projekte orientieren sich dagegen stärker an aktuellen Vergleichsmieten und zeigen eine engere Marktkopplung.
68 Prozent der untersuchten Anlagen werden von freigemeinnützigen Trägern betrieben, von denen jedoch nur vier gleichzeitig Eigentümer der Immobilien sind. In der Hälfte aller Fälle vermieten private Eigentümer die Objekte an gemeinnützige Betreiber. Ein Modell, das stabile Erträge bei begrenztem Betreiberrisiko ermöglicht.
Auch im Betreuten Wohnen wird geförderter Wohnraum angeboten. Nach der nordrhein-westfälischen Wohnraumförderbestimmung von 2019 dürfen Mieten für geförderte Wohnungen je nach Einkommensgruppe und Gemeinde zwischen 5,00 und 7,00 Euro pro Quadratmeter betragen. In Dortmund bieten das DRK Servicewohnen Lütgendortmund und der Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen e. V. Wohnungen in diesem Preissegment an.
Investitionsumfeld: Wachstum bei hoher Selektivität
Während der klassische Pflegeheimbau vielerorts stagniert, eröffnen ambulante Wohnkonzepte neue Perspektiven für Kommunen und Kapitalanleger. Bestehende Quartiere können weiterentwickelt, Synergien mit sozialen Infrastrukturen geschaffen und stabile Cashflows erzielt werden. Entscheidend sind dabei gute Lagen, verlässliche Betreiberstrukturen und funktionierende Netzwerke – insbesondere die Nähe zu Ärzten, Apotheken und Einkaufsmöglichkeiten.
„Betreutes Wohnen ist längst kein Nischenthema mehr“, sagt Anja Sakwe Nakonji, Geschäftsführerin der TERRANUS GmbH. „Der Markt wächst rasant, doch die Schere zwischen Mieten und Kaufkraft geht weiter auf. Nur wenn Projekte bezahlbar bleiben, profitieren Bewohner, Betreiber und Investoren gleichermaßen.“