Mehr als die Hälfte der deutschen Wohnungen stammt aus einer Zeit, in der Energieeffizienz kein Thema war. Wer heute mit solchen Objekten arbeitet, hat zwei Optionen: Sanieren oder verlieren. Bei Domicil folgt die Entscheidung, eine Immobilie ins Portfolio aufzunehmen, deshalb einer klaren Strategie – mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus. Die Realität zeigt jedoch: Die perfekte Immobilie gibt es selten. Technische Due Diligence-Prüfungen decken bei Bestandsobjekten regelmäßig erheblichen Sanierungsbedarf auf – von der Gebäudehülle über die Haustechnik bis hin zur Energieeffizienz. Angesichts der immer strengeren EU-Vorgaben ist es längst keine Option mehr, diesen Handlungsdruck zu ignorieren.
Domicil setzt deshalb auf eine langfristige Perspektive: Jedes Objekt wird sowohl in seinen aktuellen Schwachstellen als auch in seinen zukünftigen Potenzialen analysiert. Die zentrale Frage lautet: Mit welchen Maßnahmen lässt sich nachhaltiger Wert entwickeln? ESG wird dabei nicht als bürokratische Pflicht, sondern als integraler Bestandteil einer intelligenten Wertschöpfungsstrategie verstanden.
Brühl: von der Chance zur nachhaltigen Wertschöpfung
Mit dem Erwerb der Wohnanlage in Brühl im Jahr 2022 haben wir uns einen Standort gesichert, der die strategische Ausrichtung unseres Unternehmens beispielhaft verkörpert. Die Lage in der wachstumsstarken Rhein-Ruhr-Region, die Nähe zu Köln und Bonn, eine funktionierende Infrastruktur vor Ort und die ungebrochen hohe Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum bieten beste Voraussetzungen, um die Immobilie langfristig wertsteigernd weiterzuentwickeln.
Die 1974 errichtete, dreiteilige Wohnanlage umfasst rund 19.800 Quadratmeter Mietfläche mit 249 Wohnungen, fünf Gewerbeeinheiten und 137 Tiefgaragenstellplätzen. Bereits in den Jahren 2012 und 2014 wurde die Anlage energetisch saniert, 2018 folgte die Erneuerung der Aufzugsanlagen. Gerade in dieser Balance aus Substanz und Entwicklungspotenzial liegt die besondere Attraktivität der Liegenschaft – und die Chance, nachhaltige Wertsteigerung mit sozialer Verantwortung zu verbinden.
Technische Infrastruktur – Fundament der ESG-Transformation
Schnell war klar: Hier braucht es das „große Besteck“: Die bestehende Gebäudetechnik muss komplett erneuert und konsequent auf Effizienz und Zukunftsfähigkeit ausgerichtet werden. Im Mittelpunkt steht die umfassende Strangsanierung, die alle Ver- und Entsorgungsleitungen umfasst. Trinkwasser-, Abwasser-, Lüftungs- und Elektroleitungen werden komplett ausgetauscht – von den zentralen Steigsträngen in den Schächten bis zu den Anschlüssen in den einzelnen Wohnungen – und das im bewohnten Zustand. Insgesamt werden 18 Gebäude mit jeweils zwei bis drei Strängen bis ins Jahr 2026 saniert.
Parallel dazu wird die Heizungssteuerung grundlegend modernisiert. Eine Bestandsanalyse hatte ergeben, dass die vorhandene Anlage systematisch zu hohe Vorlauftemperaturen liefert – ein typischer Effekt älterer Heizsysteme, die pauschal auf extreme Witterungsverhältnisse ausgelegt sind. Durch die Integration einer von der Paul Tech AG entwickelten intelligenten Regelung wird die Vorlauftemperatur künftig in Echtzeit an den tatsächlichen Bedarf angepasst. Wetterdaten, Gebäudedaten und Verbrauchsanalysen werden kontinuierlich ausgewertet, Sensoren direkt in den Rohrleitungen erfassen den aktuellen Wärmebedarf.
So entsteht ein dynamisches System, das unnötige Wärmeverluste vermeidet und die Anlage effizient im optimalen Betriebsbereich hält. Der Effekt ist direkt messbar: Der Primärenergieverbrauch sinkt um bis zu 20 Prozent, was sich unmittelbar positiv auf die Betriebskosten und die CO₂-Bilanz der Immobilie auswirkt.
Warum Kommunikation den Unterschied macht
Sinkende Nebenkosten und die Aussicht, am Ende in einer Wohnung mit intakten Leitungen – und einem sanierten Bad, sofern es noch aus dem Baujahr des Hauses stammt – zu leben, ist für die Mieter zwar erfreulich. Doch für die Bewohner bedeutet eine Sanierung dieser Größenordnung zunächst einmal Eingriffe in den Alltag, temporäre Umzüge und den Umgang mit Unsicherheiten. Gerade im bewohnten Bestand ist die Qualität der Kommunikation daher kein weiches Thema, sondern ein harter Erfolgsfaktor.
In Brühl haben wir durch Transparenz eine solide Vertrauensbasis geschaffen. Jede Mieterin und jeder Mieter wurde individuell informiert – nicht per Rundschreiben, sondern in persönlichen Gesprächen, in denen Fragen geklärt, Abläufe erklärt und Bedenken ernst genommen wurden. Ein zentraler Baustein war die Bereitstellung von voll ausgestatteten Ausweichwohnungen direkt vor Ort. Statt provisorischer Lösungen bot Domicil den Mietern Wohnraum auf Zeit, der in Ausstattung und Komfort keine Kompromisse machte. Ergänzt wurde dies durch einen 24/7-Sicherheitsdienst, der die leerstehenden Wohnungen während der Bauzeit von rund zehn Wochen schützte – ein Signal, dass die Privatsphäre auch während der Sanierung respektiert wird.
Ein Lehrstück für nachhaltiges Asset Management
Die Wohnanlage in Brühl ist ein Baustein in unserem langfristigen strategischen Ansatz. Jede Bestandsimmobilie bringt je nach Baujahr, technischer Substanz, Lage und Mieterstruktur eigene Herausforderungen mit sich. Daher verfolgen wir bei jedem Objekt einen maßgeschneiderten Ansatz. Das Spektrum reicht von der Dachaufstockung bis zur umfassenden Modernisierung von Gebäudehülle, Tiefgaragen und Haustechnik – immer mit dem Ziel, Energieeffizienz, Wohnqualität und Vermarktungspotenzial gleichermaßen zu optimieren.
Dennoch ist Brühl in seiner Komplexität ein besonderes Projekt. Mit einer Strangsanierung dieser Dimension im bewohnten Zustand haben wir Neuland betreten. Dass die Maßnahmen Schritt für Schritt nicht nur technisch erfolgreich umgesetzt werden, sondern letztlich auch die Mieter überzeugen, liegt an einem Dreiklang aus Transparenz, Zuverlässigkeit und Rücksichtnahme. Wir erleben gerade, wie aus anfänglicher Skepsis Vertrauen, ja sogar Wertschätzung für die Art und Weise entsteht, wie wir dieses Projekt managen.
Brühl steht damit für ein Stück gelebte Unternehmenskultur – für den Anspruch, Nachhaltigkeit nicht nur als technische oder regulatorische Aufgabe zu begreifen, sondern als integralen Teil einer verantwortungsvollen Bestandsentwicklung, die Mieter, Eigentümer und Investoren gleichermaßen im Blick behält.