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Liquidität – Schutzschirm im Sturm – oder nur ein Schönwetterversprechen?

Mit einem ganzen Werkzeugkasten an Liquidity Management Tools (LMTs) will die Regulierung künftig mehr Stabilität für offene Investmentfonds schaffen. Doch die Frage bleibt: Sind diese Instrumente wirklich ein Schutzschirm in der Krise – oder am Ende doch nur ein Schönwetterversprechen?

Das Fondsrisikobegrenzungsgesetz (Referentenentwurf BMF) setzt bis zum16. April 2026 die EU-Richtlinie 2024/927 um. Für Bestandsfonds gilt eine Übergangsfrist bis 2027. Vorausgegangen waren intensive Debatten – u.a. beim Financial Stability Board (FSB) und der Organization of Securities Commissions (IOCSO).

Künftig müssen offene Investmentfonds – also OGAW und offene AIF – mindestens zwei LMTs in ihre Unterlagen aufnehmen (Geldmarktfonds: ein LMT). Ziel ist ein Balanceakt:

  • Anlegerschutz (kein „First Mover Advantage“ der frühzeitig Anteilsscheine zurückgebenden Anleger),
  • Marktstabilität (keine Fire Sales),
  • aber ohne offene Investmentfonds dauerhaft unattraktiv zu machen.

Der Werkzeugkasten

LMTs gibt es schon länger in der Praxis, aber bisher freiwillig. Nun wird die Auswahl verpflichtend und von der Aufsicht überwacht. Neben Swing Pricing, Side Pockets und Anti-Dilution-Mechanismen sind bei offenen Sachwerte-AIF vor allem relevant:

  • Redemption Gates / verlängerte Kündigungsfristen
    Abflüsse werden zeitlich oder mengenmäßig begrenzt.
    Vorteil: geordnete Liquidation statt Run.
    Kontroverse: Anleger fühlen sich „eingesperrt“, Liquiditätsproblem nur vertagt.
  • Redemption Fees / Charges
    Ein prozentualer Abschlag bei Rückgabe fließt dem Fonds zu.
    Vorteil: Schutz der Langfristanleger.
    Kontroverse: Anleger empfinden es als „Strafe“.
  • Redemptions in kind (Sachauskehr)
    Statt Cash gibt’s Vermögenswerte.
    Vorteil: kein Zwangsverkauf im Stress.
    Kontroverse: Für Privatanleger kaum praktikabel – wer will schon eine Büroimmobilie statt Geld?

Die KVGen sind bei der Auswahl LMTs recht flexibel, wobei die Leitplanken der am 15. April 2025 von der ESMA der EU-Kommission vorgelegte Final Report mit den Draft Regulatory Technical Standards (RTS) sowie den Guidelines zu LMT setzt.

Bild: 2IP/ChatGPT

Streitfragen: Wirksamkeit und „Scheinliquidität“

Wie wirksam sind LMTs wirklich?

  • Die EZB (Working Paper Series (No 2825)) untersuchte Unternehmensanleihen-Fonds. Ergebnis: Rücknahmebeschränkungen wirken tatsächlich als Disincentive für Rückgaben und verringern prozyklische Verkäufe. Fondsmanager mussten weniger Assets veräußern und konnten ihre Strategie konsistenter fortführen.
  • Aber: Übertragbar ist das vermutlich nicht eins zu eins auf Sachwerte. Denn beispielsweise bei offenen Immobilienfonds (Deutschland, Österreich) zeigt sich: Trotz Rückgabefristen verkauften Fondsmanager in großem Stil Immobilien, um sich auf absehbare Rückgaben vorzubereiten. Nicht Panik war der Treiber, sondern Vorsorge. Liquidität wird damit gestreckt, der Verkaufsdruck aber nicht verhindert – Prozyklik verschiebt sich nur.
  • Hinzu kommt die Vertriebsdebatte: „Too much disclosure kills the product“, so teilweise die Verbände. Während Aufseher LMTs als „Airbag“ verstehen, fürchtet die Branche ein Warnschild. Investoren verlangen Transparenz, Wissenschaftler sehen eine grundsätzliche Illusion: Ein Fonds sei rechtlich offen, faktisch aber in Stressphasen geschlossen.

ERGEBNISSE:

  • Anlegerschutz: Ja, der First Mover Advantage wird reduziert.
  • Empirisch: EZB belegt Wirksamkeit bei Bond-Fonds.
  • Aber: Bei Sachwerten bleibt die Prozyklik bestehen – sie wird nur zeitlich verschoben.
  • Dilemma: Offene Fonds bleiben rechtlich offen, aber in Stressphasen wird Liquidität zur Fiktion. Für Aufseher ist das Stabilität, für Anleger kann es wie ein Etikettenschwindel wirken.

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